„Wir haben uns zu Beginn gesagt: Wir sind erfolgreich, wenn wir nicht noch einmal zur Wahl antreten müssen. Wenn die Parteien gelernt haben, sich mehr um die Bürger zu kümmern.“ Das war 1999. Da konnten die Mülheimer erstmals ihr Kreuzchen für Lothar Reinhard und seine „MBI“ machen, für die „Mülheimer Bürger-Initiativen“, eine Quasi-Partei aus enttäuschten Wählern. Und es gibt die MBI noch immer. „Der Filz war hier stets stärker als andernorts, weshalb Mülheim schon immer viele Bürgerinitiativen hatte“, weiß Fraktionssprecher Reinhard. Die meisten seiner Weggefährten gehörten wie er einst zu den örtlichen Grünen. 1994 war Mülheim eine der ersten Städte, wo sie mit an die Macht kamen, in einer Koalition mit der CDU. „Dann haben sie ganz schnell ihre eigenen Ziele verraten und ihr Fähnlein nach dem Wind gerichtet. Als ich sie an ihre Ziele erinnern wollte, wollten sie mich ausschließen.“ Kurz vor der Kommunalwahl im September 1999 kippte das Verfassungsgericht die kommunale Fünf-Prozent-Hürde. Kurzerhand stellten sich Reinhard & Co. zur Wahl auf, „denn wir hatten ja niemanden mehr, den wir wählen konnten.“ Nach einem kurzen Wahlkampf erzielten sie auf Anhieb 5,4 Prozent der Stimmen: „Wir wollten einen Sitz bekommen, so dass ich im Rat einfacher an Unterlagen für die Initiativen herankomme. Jetzt saßen wir völlig unvorbereitet zu dritt im Rat.“
Bei der nächsten Wahl verdoppelte sich die Zahl der Stimmen, 2009 kam man auf über elf Prozent und sitzt seither zu siebt im Rat als drittstärkste Fraktion. Reinhard: „Wenn irgendwer in einem Naherholungsgebiet ein schwachsinniges Bauprojekt plant, laden wir zu Bürgerversammlungen ein, aus denen sich Bürgerinitiativen bildeten. So geht das schneller als vorher, wenn sich erst etwas bilden konnte, wenn die Leute von solchen Plänen über die Zeitungen erfuhren.“
Wenig Glück hatten die MBI bei ihrem langen Kampf gegen „Ruhrbania“
Beispiele gibt es viele, im Erfolg wie im Misserfolg. Die MBI wehrten sich erfolgreich gegen den Ausbau des Rhein-Ruhr-Einkaufszentrums, gegen Preiserhöhungen, neue Gebühren, Bauprojekte in sensiblen Grünzonen oder gegen die Schließung eines Freibades.
Weniger Glück hatten die MBI bei ihrem langen Kampf gegen „Ruhrbania“, dem Stuttgart 21 Mülheims. Das riesige Stadtentwicklungsprojekt krebst seit 2003 vor sich hin, Investoren springen ab, Bauherren gehen pleite, mehr als die Hälfte aller Mülheimer lehnt es nach jüngsten Umfragen ab. Reinhard: „Unsere Anträge auf Bürgerbegehren wurden vom Tisch gefegt, aus Angst, sie würden die Pläne zunichtemachen.“ Er sieht in Ruhrbania den Grund, warum Mülheim nach jüngsten Erhebungen des Landes die vierthöchste Pro-Kopf-Verschuldung in NRW hat. In ihrer Katalysator-Funktion sehen die MBI bis heute ihre Hauptaufgabe. Reinhard: „Insofern ist es schon gelungen, die Demokratie zumindest etwas zu beleben. Immerhin fangen die Parteien an, die Bürger stärker einzubeziehen – damit nicht noch mehr zu uns überlaufen.“
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Ruhrparlament will Weichen für das Ruhrgebiet der Zukunft stellen
Erstmals Direktwahl des Ruhrparlaments
„Man wird ja nicht Politiker, weil einem sonst langweilig wäre“
Robert Zion über den Zustand der Demokratie – Thema 09/13 Welche Wahl
„Die Grenze zwischen legitim und korrupt ist fließend“
Marion Stein von Transparency International über Korruption – Thema 09/13 Welche Wahl
„Politik darf nicht käuflich sein“
Timo Lange über die Grenzen der politischen Einflussnahme – Thema 09/13 Welche Wahl
„Jedes Land macht sein eigenes Europa“
„Kursbuch“-Herausgeber Armin Nassehi über die europäische Öffentlichkeit – Thema 09/13 Welche Wahl
Schlechte Gesellschaft
Christoph Butterwegge über Politik und Entpolitisierung – Thema 09/13 Welche Wahl
Qualtag?
Die Bundestagswahl ist diesmal keine Schicksalswahl – THEMA 09/13 WELCHE WAHL
„Viele Vergiftungen werden nicht erfasst“
Inkota-Referentin über Pestizideinsatz im globalen Süden
Wuppertal will Hauptstadt werden
Der Runde Tisch Fairer Handel
Offene Türen
Das Allerweltshaus in Köln-Ehrenfeld
Geteiltes Risiko ist halbes Risiko
Dortmunder Lernbauernhofsetzt auf Verbrauchernähe
„Lieferkettengesetz muss europäisch werden“
Designer über Lieferketten in der Modeindustrie
„Globalisierung wird pure Friedenspolitik“
Stellvertretende Vorsitzende von Transparency International über Globalisierung
Die große, alte Seltene Erde
Die Mächtigste von uns allen ist unser Planet. Und seine Rache wird grausam sein – Glosse
Der Kampf um das neue Öl
Lithium entwickelt sich zum wichtigsten Rohstoff der Zukunft – mit verheerenden Folgen
Fair handeln
Moralische Verantwortung in Handelsketten
Ein Hauch von Chile ’73
Kapital und Demokratie – zwei Seiten einer Medaille? Wohl eher nicht!
Wiens ökologischer Alleingang
Wien verbietet Glyphosat. Und scheitert an der EU – Vorbild Österreich
Doppelt unsichtbar
Strukturelle Gewalt gegen Frauen muss endlich beim Namen genannt werden
Für ein selbständiges Leben
Der Wuppertaler Verein Frauen helfen Frauen
„Frauen werden teils als Besitz angesehen“
Die Bundesgeschäftsführerin von Terre des Femmes über Gewalt an Frauen
Weil sie Frauen sind!
Femizid als Straftatbestand – laut Bundesregierung eine unnötige Differenzierung
Gewalt geht gar nicht!
Der Wendepunkt unterstützt Frauen in Krisensituationen
„Trennungen sind der Hochrisikofaktor“
Sozialarbeiter zur Tötung von Frauen durch ihre Partner
Was Frauen wirklich schützt
Politische Programme gegen männliche Gewalt sind zu wenig