Er verlangt nicht mehr von seinen Musikern, als er selbst gibt: Bedingungslose Hingabe an die Musik. Der Mann heißt Teodor Currentzis und gab vor wenigen Tagen seinen Einstand als erster Chefdirigent des neuen SWR Symphonieorchesters – eine Zusammenführung des RSO Stuttgart mit dem SO Baden-Baden und Freiburg. Einen deutlicheren Aufbruch zu neuen Ufern hätte sich das in Stuttgart wirkende Orchester nicht aussuchen können: Keine Personalie wirkt radikaler und aufrührender als die des griechisch-russischen Dirigenten und Künstlers, der nur selten Kompromisse macht und sich in einem filmischen Porträt bereits den Titel „Klassikrebell“ eingehandelt hat. Und der Mann kommt eindeutig aus der Kälte.
Schon vor mehr als zehn Jahren, nach einem Studium im sonnenbeschienenen Athen und später im kühleren St. Petersburg, ging Currentzis nach Sibirien, um die Oper aufzumischen, zog weiter nach Perm, wo er 1100 km östlich von Moskau zunächst ein Mekka der Barockoper erschuf. Wer ihn liebt, verehrt ihn wie einen Messias, lässt sich von seiner Power und gewaltigen Energie anstacheln, geht tatsächlich andere Wege in der musikalischen Interpretation. Für Currentzis existieren keine Sinfonieorchester, es gibt nur Kammerorchester – darunter auch sehr große. Ihm geht es um die Kommunikation mit seinen Musikern auf Augenhöhe, und die Ergebnisse überzeugen: Die Einspielungen seiner Mozart-Opern stiegen teilweise in die Top 100 der deutschen Pop-Charts.
Jetzt rückt Currentzis am Rhein an, um in Köln seine über Jahre trainierten Spezialensembles MusicAeternaChoir & Orchestra mit weiteren beglückenden Opernwerken zu begeistern. Verdis Schlachtrösser „La Traviata“ und „Aida“ werden im Oktober entlaubt, das opernhafte „Requiem“ folgt im Frühjahr. Damit hat sich der Dirigent vom Barockrepertoire über Mozarts wichtigste Opern bis zur großen italienischen Oper vorgearbeitet. Und die Arbeit wird dadurch nicht weniger: Seine Orchester sollen ja wie ein Streichquartett klingen. Mit seinen eigenen Ensembles aus Perm hat er das erreicht, das bestätigen verschiedene Solisten und Sänger, die mit diesen Klangkörpern gearbeitet haben. Currentzis liefert Erlebnisse: Für Musiker und Zuhörer.
Fr 5.10. 20 Uhr: La Traviata | So 7.10. 18 Uhr: Aida | Kölner Philharmonie | 0221 280 280
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Aus grellem Sonnenlicht
Sarah Aristidou in der Kölner Philharmonie – Klassik am Rhein 03/23
Nationale Abenteuer
Barenboim und Lang Lang in der Kölner Philharmonie – Klassik am Rhein 07/22
Konzert als Abenteuer
Aurora Orchestra in der Kölner Philharmonie – Klassik am Rhein 06/22
Aufatmen in Köln
Der Kölner GMD bleibt länger im Dienst – Klassik am Rhein 11/18
Zweierlei Schicksal
In Köln begegnet Beethoven Frankenstein und Wolfgang Schäuble – Klassik am Rhein 09/18
Keine Tulpen aus Amsterdam
Kölns Philharmonie begrüßt musikalische Nachbarn – Klassik am Rhein 08/18
Streicher statt Synthesizer
Handgemachte Musik aus Polen durchforstet die Stile – Improvisierte Musik in NRW 05/18
Requiem ohne Todesfall
Ein monumentales Werk feiert den Abschied eines Chorleiters – Klassik am Rhein 05/18
Charmantes Gipfeltreffen
Opernstimmen strahlen im Operettenfach – Klassik am Rhein 02/18
An die Freude
Schillers Ode klingt in Köln einmal anders – Klassik am Rhein 01/18
Mitsingen erbeten
Kölner Chöre laden ein zum Weihnachtskonzert – Klassik am Rhein 12/17
Oper ohne Regisseur
Der Stardirigent Riccardo Muti interpretiert Verdi – Klassik am Rhein 11/17
Akustische Wunderkammern
Romanischer Sommer in Kölner Kirchen – Klassik am Rhein 06/23
Gefangenenchor pur
„Prisoner of the State“ im Musikforum Ruhr – Klassik an der Ruhr 05/23
Das ganze Leben ist ein Spiel
zamus: early music festival in Köln – Klassik am Rhein 05/23
Mann ohne Arg
„Les Béatitudes“ in der Bonner Kreuzkirche – Klassik am Rhein 04/23
Blut und Tränen
„Lessons in Love and Violence“ in NRW – Klassik an der Ruhr 04/23
Meister der Nuancen
Shao-Chia Lü in Krefeld und Mönchengladbach – Klassik an der Ruhr 03/23
Kunst und Leben des Michael Biel
„Abschied von der neuen Musik?“ in Köln – Klassik am Rhein 02/23
Zu Ehren einer Meisterin
Sofia Gubaidulina im Konzerthaus Dortmund – Klassik an der Ruhr 02/23
Alter Hase von jungen Jahren
Jan Lisiecki besucht die Rheinmetropolen – Klassik am Rhein 01/23
Nahbarer Maestro
„Von Herzen – Adieu, mein Schatz!“ in Bochum – Klassik an der Ruhr 01/23
Zartes Orchester-Pflänzchen
„Ensemble Diderot“ in der Kölner Philharmonie – Klassik am Rhein 12/22
Abschied von Ludwig Güttler
„Sächsischer Bläserglanz zur Weihnachtszeit“ in NRW – Klassik an der Ruhr 12/22