Manches Orchester, das sich um die namhaften Dirigenten der aktuellen Szene schlägt, muss sich zwischen den erfahrenen Routiniers oder den wilden exotischen Lockenköpfen entscheiden. Wer einen Teodor Currentzis erobern konnte, der hat das Abenteuer gepachtet – in Köln erschien der Maestro „aus persönlichen Gründen“ nicht zum Gastspiel mit seinem Permer Opernteam. Wer einen Altmeister verpflichtet wie Dresdens Philharmonie, bei der im nächsten Jahr Marek Janowski den Chef-Stab nochmals in die Hände nimmt, hat sich mit den Unwägbarkeiten des menschlichen Alterns abzufinden – im speziellen Falle hinterließ der ehemalige Kölner GMD beim Kölner Konzert mit Wolfgang Schäuble einen Mut weckenden frischen Eindruck.
Doch wie groß kann der Segen bejubelt werden, wenn ein absolut stiller Star der Musik, ein Mann im besten Alter, ohne vom Temperament gesteuerte Allüren und ohne Gebrechen, seine Aufmerksamkeit nachhaltig dem Städtischen Kölner Orchester schenkt, in Oper und Konzert. Kölns Generalmusikdirektor Francois-Xavier Roth hat seinen Vertrag bis 2022 verlängert. Das ist für alle Kulturfreunde in Stadt und Land wunderbar. Roth ist ein Musiker für Publikum und Orchester. Die Begeisterung im Gürzenich-Orchester über die Arbeit mit ihrem Chef bleibt trotz der unangenehmen Situation im Interimslager der Oper unbeschränkt bestehen, dieser Mann brennt für die Musik und seine Visionen in Oper und Konzert. Es wächst der Kölner Zyklus seines komponierenden Freundes Philippe Manoury, ein geistesverwandter Tüftler für das zeitgenössische Konzert. Und mit der just gestarteten „Salome“ rücken der Orchestersound und die flexible Haltung im akustischen Experiment mit der wandernden Orchesterposition auch in den Fokus überregionaler Betrachter: Mehrfach wurde für sein Orchester gelobt, Roth befindet sich ganz oben im Ranking der großen Dirigenten – und zieht sein Orchester, die Oper und die ganze Musikstadt Köln im Ansehen mit.
Im November bestreitet Ehrendirigent Dmitrij Kitajenko, ein länger bestehender Glücksfall für Köln, das Abo-Konzert – wie gewohnt mit russischer Literatur. Für Spezialitäten sind Altmeister nun mal unschlagbar.
Kitajenko in der Kölner Philharmonie | So 11.11. 11.15 Uhr & Mo 12.11 20 Uhr | www.guerzenich-orchester.de
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