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Die Welt von oben: „Die Farbe der Dinge“ von Martin Panchaud
Bild: Panchaud/Ed. Moderne

Vogelperspektive

01. Juli 2020

Comiclegenden, Teenager und Astronauten aus großer Entfernung – ComicKultur 07/20

Anne Goscinny kannte ihren berühmten Vater René Goscinny nicht allzu gut. Mit 51 Jahren starb er vollkommen überraschend während einer Routineuntersuchung durch einen Herzinfarkt. Da war Anne, die heute so alt ist wie ihr Vater und Romane schreibt, neun Jahre alt. Die 17 Jahre jüngere Ehefrau des Asterix- und Lucky Luke-Erfinders starb ebenfalls mit 51 Jahren. Da war Anne 26 Jahre alt. Doch die Tragik ihrer eigenen Geschichte ist nicht Thema von „Die Geschichte der Goscinnys – Geburt eines Galliers“ von Catel. Catel Muller veröffentlicht eigentlich Comic-Biografien über bedeutsame Frauen, doch hier hat sie eine Ausnahme gemacht, weil sie neben der üblichen Recherche hier mithilfe von Annes Erinnerungen als Rahmenhandlung die Geschichte des berühmten Comic-Szenaristen erzählt: von dessen Eltern über seine Kindheit in Argentinien, erste Versuche als Zeichner im New York der 50er Jahre und schließlich seine großen Erfolge im Frankreich der 60er und 70er Jahre. Der Comic ist eine berührende Familiengeschichte und zugleich ein Einblick in die Comicgeschichte des 20. Jahrhunderts – angereichert mit Briefen, Dokumenten und alten Comicseiten als Faksimile (Carlsen).

Zuletzt wurde hier Shane Simmons Minimal-Comic „… Roland Gethers“ aus den 90er Jahren, gerade auf deutsche erschienen, besprochen. Der besteht nur aus Punkten für die Protagonisten und ihren Dialogen. Martin Panchaud hat mit „Die Farbe der Dinge“ nun ebenfalls Punkte als Protagonisten gewählt, detailreicher sind allerdings die Hintergründe ... beziehungsweise die Untergründe. Denn der Comic um einen vierzehnjährigen Jungen in dysfunktionalen Familienverhältnissen, der beim Pferderennen ein Vermögen gewinnt, wird komplett aus der Vogelperspektive erzählt. Die Story ist berührend und verrückt. Noch verrückter und wirklich grandios ist aber die grafische Umsetzung, die trotz der Abstraktion das Herz berührt. Jeremy Perrodeau erzählt in „Dämmerung“ von fremden Welten: Ein Planet wird urbar gemacht, entwickelt sich und beginnt dann zu mutieren. Aufklärungskommandos verschwinden und die Geschichte verknotet sich zunehmend in Zeitspiralen und -verzerrungen. Doch das dicke Ende kommt noch ... „Dämmerung“ hat schöne Bild- und Erzählideen und lässt einen ähnlich ratlos zurück wie Kubricks „2001“ (beide Edition Moderne).

Christian Meyer-Pröpstl

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