trailer: Herr Krech, wie unterscheiden sich die Weltreligionen bezüglich ihres Aggressionspotentials?
Volkhard Krech: Keine Religion ist nur friedlich oder nur gewalttätig. Friedensstiftendes Potential und auch Gewalttätigkeit finden sich in allen Religionen.
Erleben Sie den Buddhismus auch als gewalttätig?
Im Buddhismus gilt im Prinzip das strenge Gebot, kein Lebewesen zu töten. Auch im Christentum, insbesondere im Neuen Testament, wird Gewaltlosigkeit gepredigt. Aber wie das so mit Prinzipien ist, die Wirklichkeit sieht oft anders aus. Der Buddhismus wurde schon vor 2000 Jahren für gewaltsame Eroberungen genutzt. Buddhistische Mönchskrieger gab es im mittelalterlichen Japan. In der jüngsten Vergangenheit war der Anschlag auf die U-Bahn von Tokyo 1995, bei der 13 Menschen starben und tausende verletzt wurden, ausgeführt von der buddhistisch orientierten Aum-Sekte, besonders spektakulär. Bei dem Bürgerkrieg in Sri Lanka kämpfen buddhistisch und hinduistisch geprägte Ethnien gegeneinander. Auch die Mönche in Tibet protestieren nicht immer friedlich.
Der Buddhist lächelt nicht nur?
Er lächelt auch. Aber so wie es einen Dalai Lama im Buddhismus gibt, können Christen auf einen Martin Luther King verweisen, auch auf einen Franziskus von Assisi.
Wir romantisieren den Buddhisten als „edlen Wilden“?
Manche projizieren tatsächlich das Gute in den Buddhismus. Diese Tendenz kann seit der Romantik beobachtet werden.
Spielt Buddhismus im Ruhrgebiet eine Rolle?
Es gibt einige Buddhisten hier. Sie setzen sich aus verschiedenen Gruppierungen zusammen. Da sind die vietnamesischen Boat-People, auch Migranten aus anderen buddhistisch geprägten Ländern. Aber es gibt auch unter Deutschen eine gewisse Konjunktur, sich mit fernöstlichen Weisheiten zu beschäftigen.
Was können gemeine Christenmenschen von Buddhisten lernen?
Grundsätzlich können alle Religionen wechselseitig voneinander lernen. Besonders in dieser von Gewalt geprägten Welt ist es immer gut, wenn man an die oft verschütteten friedfertigen Aussagen der eigenen Religion durch die Religion des anderen erinnert wird.
Bei der Wiedergeburt wird sogar die Seele recycelt. Würde Buddha etwa die Grünen wählen?
Buddha würde vermutlich überhaupt nicht wählen. Er wäre eher ein Anhänger der APO, der außerparlamentarischen Opposition. Beim Buddhismus geht es ja übrigens darum, am Ende diesem Kreislauf zu entfliehen, nicht mehr wiedergeboren zu werden. Insofern sagt uns der Buddhismus, dass die Jagd nach Macht und Geld letztendlich nicht wichtig ist.
Im Gegensatz dazu sollte der Christ fruchtbar sein und sich mehren.
Man sollte beim Vergleich der Religionen nicht in Klischees verfallen. Das Christentum ist zwar sehr weltzugewandt, das allein macht diese Religion aber nicht aus. Der Buddhismus hat sich andererseits in seiner 2.500-jährigen Existenz in der Welt auch gut eingerichtet.
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