Weihnachten – das Fest der Liebe, die Zeit der Wunder. Die Familie rückt wieder zusammen und alte Zwistigkeiten werden beigelegt. Die Herzen sind offen und die Nächstenliebe reicht weit. So zumindest im Film, der immer schon eine Menge Kitsch bereithält und doch nur unsere Sehnsüchte offenbart. Sonst würden wir ihn nicht immer wieder schauen – den Weihnachtsfilm. Doch als Georg Albert Smith uns mit „Santa Claus“ 1898 den ersten Weihnachtsfilm der Filmgeschichte vermachte, war noch gar nicht abzusehen, dass aus diesem Stoff bald Filme erwachsen sollten, die uns Jahr ein Jahr aus in der Adventszeit begleiten und schon bald zur westlichen Tradition gehören würden. Dabei war es nur ein kurzer Auftritt mit einer kreisrunden Doppelbelichtung, die uns Santa Claus damals bescherte und damit ein ganzes Filmgenre begründete. Heute muss nicht mehr zwangsläufig der Weihnachtsmann durch den Kamin steigen, das Genre kommt auch ohne ihn aus, doch es hat sich über die Jahrzehnte auch gewaltig verändert. Während der frühe Weihnachtsfilm mit eher wertkonservativen Festtagsfilmen wie „Ist das Leben nicht schön“ das Weihnachtsfest beseelen wollte und einen Ebenezer Scrooge am Ende geläutert und voller Nächstenliebe zeigt, wurde der moralische Zeigefinger allmählich immer mehr durch Klamauk und Komik abgelöst. Ob mit „Kevin – Allein zu Haus“, der am Weihnachtsabend gegen Diebe kämpfen muss oder mit Jamie Lee Curtis, die in „Verrückte Weihnachten“ dem Fest gleich ganz den Rücken kehrt, der Weihnachtsfilm ist bunter und absurder geworden, wie der Film auch insgesamt.
Doch leider hat die Ironie den Pathos manchmal eben auch ersetzt. Vielleicht ist es daher nicht verwunderlich, dass uns die alten Weihnachtsfilme immer so ein warmes Gefühl im Bauch geben und wir sie gerade jetzt im Advent wieder so gerne schauen. Ob „Der kleine Lord“, die alten DEFA-Märchenfilme wie „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ oder die Historientrilogie „Sissi“: Sie alle gehören schon lange genauso zum Fest, wie der Tannenbaum – wenn gleich sie Weihnachten per se gar nicht thematisieren. Allerdings thematisiert auch ein „Dinner for One“ nicht im Geringsten die Jahreswende, an der er Jahr ein und aus gezeigt wird. Vielmehr zeigen uns all diese Filme, wie stark unsere Traditionen mit Film verbunden sind, wenn der Festtagsfilm so untrennbar zu unseren Festen dazu gehört. Auch in diesem Advent sind mit „Als der Weihnachtsmann vom Himmel fiel“, „Bo und der Weihnachtsstern“ und „Daddy`s Home 2“ wieder drei Weihnachtsfilme im Kino, die vielleicht einmal zum weihnachtlichen Filmkanon dazugehören werden.
Man kann aber auch weiter gehen und danach fragen, ob die großen Filmtrilogien und Serien, die immer pünktlich vor Weihnachten erscheinen, nicht auch irgendwie schon fast zum Festtagsfilm dazugehören. Allein Peter Jackson bescherte uns mit den Trilogien „Der Herr der Ringe“ und „Der Hobbit“ gleich sechs Jahre lang phantastisches Kino-Winter-Wonderland. Disney führt dieses Prinzip nun noch kalkulierter weiter, wenn in den nächsten Jahren kein Advent mehr vergehen wird, an dem nicht ein neues „Star Wars“-Sequel oder Spin-off ins Kino geboren wird. Aber haben diese großen Filmserien auch langfristig das Zeug zum Weihnachtskultfilm? Das wird die Zukunft zeigen. Auf jeden Fall bleibt Adventszeit Kinozeit.
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