Bochum, 15. Oktober - ACT UP gehört zu den erfolgreichsten politischen Bürgerrechts-Bewegungen der letzten Jahrzehnte. US-Regisseur Jim Hubbart lag sehr daran, die Geschichte der AIDS-AktivistInnen in seinen Dokumentarfilm „United in Anger: A History of ACT UP“ von innen heraus darzustellen. Wir hart der Kampf der Betroffenen war, erläuterte der Regisseur nach dem Film in der gut besuchten Rotunde in einer engagierten Debatte. Organisiert wurde die Veranstaltung von Studierenden der Gender Studies der RUB und der Aids Hilfe Bochum. 26 Jahre ist es her, dass Hubbart das erste Mal eine ACT UP-Aktion gefilmt hatte, für sein Filmprojekt kondensierte er aus über 1000 Stunden Archiv-Material von und über ACT UP einen mitreißenden Bewegungsfilm.
Hubbart betonte ausdrücklich, dass er seinen Film auch verstanden wissen will als Inspiration für junge Aktivisten, denen er mit ACT UP ein erfolgreiches Modell an die Hand gibt, das auch heute noch genutzt werden kann. Der Film nimmt direkt Bezug auf das ACT UP Oral History Projekt [http://actuporalhistory.org], eine umfassende Datenbank mit Interviews, wie Simon Dickel in seiner Filmeinführung erläuterte.
Die Aktivisten von ACT UP trafen sich seit Anfang der 1980er Jahre immer montags im Gay Community Center in New York. Dort fanden sie Gleichgesinnte und organisierten ihre politischen Aktionen. Die vielen Interviews, Archiv-Aufnahmen von spektakulären Aktionen und Treffen helfen dabei, der Atmosphäre jener Zeit nachzuspüren und zu verstehen, wie groß die Krise, Angst und Verzweiflung der AIDS-Betroffenen in den ersten Jahren der Epidemie war. In einer bewegende Rede konstatiert Vito Russo: „Leben mit AIDS ist wie Krieg.“ In den USA wurden die Kranken diskriminiert und diffamiert; sie fühlten sich allein gelassen von staatlichen Institutionen und man formulierte den Vorwurf, dass die Regierung nichts tat, um die Epidemie einzudämmen. Immer mehr Menschen starben, und keiner wusste so recht woran. Der Widerstand von ACT UP war laut, fantasievoll, kompromisslos, sexy, und er war effektiv. Denn er machte deutlich, dass AIDS mehr war als eine Krankheit: Es war eine politische Krise, die massive gesellschaftliche Probleme aufdeckte. Zunächst ging es den Aktivisten darum, dass erfolgsversprechende Medikamente schneller zur Verfügung gestellt wurden.
Zu so massiven Protesten wie in den USA sei es in Deutschland nicht gekommen, schilderte Arne Kayser von der AIDS-Hilfe Bochum im Gespräch. Früh hatte die Bundesregierung Handlungsbedarf gesehen: Rita Süssmuth galt als „AIDS-Aufklärerin Nummer 1“ und die AIDS-Hilfe wurde viel schneller institutionalisiert als in den USA. Dort rebellierten die AktivistInnen gegen die Bürokratie und forderten die Einbeziehung von Betroffenen in Entscheidungsprozesse, man prangerte die katastrophalen Bedingungen im Gesundheitswesen an. Es wurden Kampagnen für Safer-Sex gestartet und spektakuläre Aktionen gegen die katholische Kirche durchgeführt, die AIDS als Strafe Gottes darstellte. Hilfreich waren die Allianzen mit anderen Gruppen wie Obdachlosen, Schwarzen und der Frauenbewegung. Besonders ergreifend ist die sogenannte „Ashes Action“: Als die Krise und die pure Verzweiflung ihren Höhepunkt erreichte, streuten Verbliebene die Asche ihrer Freunde und Angehörigen buchstäblich vor das Weiße Haus in Washington. Ihre Reden berühren noch heute.
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