Im Jahr 2019 brachte die Europäische Kommission ein Maßnahmenpaket auf den Weg, mit dem Ziel, bis 2050 Klimaneutralität in Europa zu erreichen: Laut dem „European Green Deal“ kommt Europa eine Führungsrolle zu in den Bereichen Klimaschutz, Biodiversität, erneuerbare Energien und nachhaltige Landwirtschaft. Auffällig ist allerdings, dass bei diesem Großvorhaben sozio-ökonomische Verteilungsfragen nur eine Nebenrolle spielen.
Besitz- und Machtverhältnisse
„Man könnte den Green Deal auch als Versuch sehen, die radikale Hinterfragung unseres Wirtschaftsmodells durch den Klimawandel einzuhegen“, kommentiert Ulrich Klüh. „Ein Großteil der ökologischen Politik arbeitet immer noch unter der Annahme, dass wir die Probleme im Rahmen aktueller Besitz- und Machtverhältnisse lösen können.“ Klüh, Professor für Volkswirtschaftslehre, untersucht gemeinsam mit seinem Team an der Hochschule Darmstadt, welche Rolle Vermögenssteuern in der sozio-ökologischen Transformation spielen. Das Projekt ist interdisziplinär gestaltet – aktuell arbeiten drei Ökonom:innen, eine Geisteswissenschaftlerin und ein Wirtschaftsethiker zusammen. Die Forscher:innen untersuchen statistische Daten, die Akzeptanz wirtschaftspolitischer Maßnahmen, die mediale Berichterstattung. Und sie führen Experimente durch: Testpersonen werden eingeladen und mit einem hypothetischen Budget ausgestattet, um etwas über die Investitionsbereitschaft bei verschiedenen Besteuerungsformen zu erfahren.
Interdisziplinärer Austausch
Unterstützt werden Klüh und sein Team von der Hans-Böckler-Stiftung. Die gemeinnützige Organisation des Deutschen Gewerkschaftsbundes mit Sitz in Düsseldorf setzt sich für Mitbestimmung in der Wirtschafts- und Arbeitswelt ein, finanziert Stipendien und fördert Forschung. Neben der finanziellen Unterstützung profitieren Ulrich Klüh und sein Team auch von zahlreichen Workshops, die einen Austausch unter Forscher:innen und mit gesellschaftlichen Gruppen ermöglichen. „Das ist für uns äußerst wertvoll, denn in unserem Projekt geht es ja auch um die Frage, welche Akzeptanz unterschiedliche Maßnahmen und Vorschläge haben könnten“, erklärt Klüh.
Akzeptanz und Widerstand
Ein Ausgangspunkt für die Forscher:innen ist die Idee der „politischen Ökologie“ des Soziologen Bruno Latour. Das Verhältnis von Natur und Politik soll hierbei vor dem Hintergrund von Umverteilung neu gedacht werden. „Klimapolitik und Verteilungspolitik lassen sich nicht trennen“, sagt Klüh, „in Deutschland wird das immer noch viel zu oft versucht: Selbst ein einfaches Instrument wie das Klimageld muss gegen viele Widerstände kämpfen. Man ist offensichtlich darum bemüht, nicht den Eindruck aufkommen zu lassen, dass man eine konsequente ökologische Politik auch als Sozialpolitik verstehen kann.“ Dass Vermögenssteuern bislang kaum im Kontext der Klimapolitik diskutiert werden, sei ein Versäumnis, fährt Klüh fort: „Die weniger Vermögenden sollten sich darauf verlassen können, dass die starken Schultern unserer Gesellschaft Verantwortung übernehmen. Sie selbst haben nicht die finanziellen Möglichkeiten, hier entscheidend beizutragen – und sie haben weniger zum Problem beigetragen, da der CO2-Austoß mit dem Vermögen überproportional ansteigt.“
Das Projekt läuft bis 2025. „Vermögenssteuern könnten aus unserer Sicht mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen“, fasst Klüh erste Ergebnisse zusammen: „Sie können bei der Finanzierung der ökologischen Transformation helfen, deren Verteilungseffekte abfedern und so die Akzeptanz erhöhen. Aber sie stoßen auf den Widerstand derer, deren Vermögen zur Debatte stehen – und leider auch derer, die gar kein relevantes Vermögen haben.“
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