Eigentlich gilt die „Freiheit der Kunst“ als hohes Gut. Doch in Krisenzeiten wie diesen mischt sich die Politik schon mal kräftig ein. So empfehlen die KulturministerInnen von Bund und Ländern den Theatern und Konzertveranstaltern "kleinformatige Darbietungen“ oder die "Mehrfachaufführungen kürzerer Programme". Nachzulesen ist das in den „Eckpunkten für Öffnungsstrategien für die Kulturszene“, die am 17. Mai Bundeskanzlerin Angela Merkel und den Ministerpräsidenten der Länder überreicht wurden.
Vieles kannte man bereits aus dem „SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard“, den die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft für den Betrieb an Bühnen und Studios vorgelegt hatte. Jetzt hat die Politik ihren Stempel daruntergesetzt. In NRW herrschte allerdings Ende Mai Chaos. Die Landesregierung konterkarierte am 20.5. zunächst sowohl die „Eckpunkte“ wie eine eigene frühere Verordnung und untersagte den Kinobetrieb sowie Aufführungen von Theater, Oper und Konzert in geschlossenen Räumen bzw. ließ ihn nur in Ausnahmefälle mit weniger als 100 Zuschauern zu. Es hagelte Kritik und die Kulturministerum versprach Nachbesserung.
Wie dem auch sei: Allein logistisch stellen die Vorgaben eine Herausforderung besonders für die kleinen Theater dar. Alle Darsteller sollen mindestens 1,5 m Abstand voneinander halten, Sänger und Tänzer mindestens sechs Meter – es sei denn es werden Schutzmaßnahmen installiert. Tanzen mit Plexiglashelmen zum Beispiel. In Probenräumen verschärfen sich die Regeln nochmals mit drei Metern Abstand für Orchester- und Chormitglieder und ebenfalls sechs Metern für den Tanz.
Das Publikum muss sich nicht so weitgehend umstellen, die Regelungen sind bereits aus anderen Branchen bekannt: Schutzmasken tragen, Online-Kartenkauf, Erfassung der Personalien, gelenkte Zugangswege, 1,50 Meter-Abstandsregelung.
Nichtsdestotrotz ist jetzt schon klar, dass der Flickenteppich bleibt: Die Theater öffnen wieder, doch die Häuser gehen unterschiedliche Wege. Während das Schauspiel Köln die Spielzeit abgehakt hat, will Johan Simons, Intendant am Schauspielhaus Bochum, am 10. Juni noch eine Premiere rausbringen. Und bei den freien Theatern sieht es ähnlich aus. Die Phase der logistischen Detailplanungen und Experimente hat begonnen, bevor es im September Ernst wird.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Mehr Solidarität wagen
Die Theater experimentieren mit Eintrittspreisen – Theater in NRW 01/23
2G oder 3G?
Die Theater zwischen Landesverordnung und Sicherheitsgefühl – Theater in NRW 10/21
Wir Kultur-Protestanten
Warum die Schließung von „Freizeiteinrichtungen“ unchristlich ist – Theater in NRW 12/20
Freude und Honorar für "Straßenkünstler" in Bochum
Aktion „Fenster auf“ startet mit der ersten Staffel u.a. am Bergbaumuseum
Berufsziel: Prekarisierung
Kulturrat stellt Studie zum Arbeitsmarkt Kultur vor – Theater in NRW 08/20
„Wir hoffen, dass wir in begrenztem Umfang wieder eröffnen können“
Museumsdirektor Felix Krämer über den Düsseldorfer Kunstpalast – Sammlung 05/20
„Wir vermissen unser Publikum“
Johan Simons über das Bochumer Schauspielhaus in der Krise – Bühne 05/20
Theater und Philharmonie gehen viral
Die Plattform „TUP trotz(t) Corona“ nutzt YouTube als Bühne – Bühne 05/20
Expanded Cinema
Über den Wert von Kino und cineastische Alternativen während Corona – Kino 05/20
„Das Kino wird vermisst!“
Petra Müller, Geschäftsführerin der Film- und Medienstiftung NRW, über den Stillstand der Branche – Interview 05/20
„Seid ehrlich, seid kreativ“
Andreas von Hören über das Jugend-Videoprojekt „Corona Diaries“ – Interview 04/20
And the winner is …
Auswahl der Mülheimer Theatertage – Theater in NRW 04/23
Knappheit und Kalkulation
Besucher:innenzahlen am Theater steigen – Theater in NRW 03/23
Gegen Ausbeutung und Machtmissbrauch
Klassenkämpferischer Wind weht durch die Theater – Theater in NRW 02/23
Zeichenhafte Reduktion
NRW-Kunstpreis an Bühnenbildner Johannes Schütz verliehen – Theater in NRW 12/22
Bessere Konditionen
EU stärkt Solo-Selbstständige im Theater – Theater in NRW 11/22
Internationale Vernetzung
Olaf Kröck verlängert Vertrag bei den Ruhrfestspielen – Theater in NRW 10/22
Dunkle Fassaden
Das Theater und die Energiekrise – Theater in NRW 09/22
Neue Präferenzen
Ina Brandes ist neue NRW-Kultur- & Wissenschaftsministerin – Theater in NRW 08/22
Dortmunder Turbulenzen
Schauspielchefin Julia Wissert unter Druck – Theater in NRW 07/22
Keine Berührungsängste
Ivo van Hove leitet ab 2024 die Ruhrtriennale – Theater in NRW 06/22
Theater als „Schule der Empathie“
Kara und Zintl leiten zukünftig das Schauspiel Essen – Theater in NRW 05/22
Das Njet aus der Komfortzone
Russisch-ukrainische Konflikte im deutschen Theater – Theater in NRW 04/22
Freunde und Netzwerke
In Dortmund wurde ein neuer Festivalverbund gegründet – Theater in NRW 03/22