Diesen Verein gibt es schon so lange wie in Nicaragua die „Grüne Revolution“: Das Informationsbüro Nicaragua besteht seit 1978, dem Jahr vor dem sozialistischen Umsturz. Viel hat sich geändert, doch der Blick auf das Land ist bis heute wach.
1979 wurde Nicaraguas Diktator Somoza gestürzt. Die sozialistische Gegenbewegung der Sandinisten fand viel Sympathie auch im Ausland. Im Jahr vor dem Umsturz gründete sich aus Solidarität auch das Informationsbüro. Eine Grüne Revolution, wie der Vorstoß zur Ernährung mit neuen Pflanzensorten in Entwicklungsländern hieß: In Nicaragua gab es sie um 1980 also im Rahmen einer frisch angetretenen sozialistischen Regierung. Die enteignete prompt Großgrundbesitz und übertrug sie der Gesamtheit.
Das Informationsbüro beobachtet politische Entwicklungen, fördert Basisinitiativen und betreibt Bildungsarbeit. Dass Wuppertal seit 1987 das nicaraguanische Matagalpa zu seinen Partnerstädten zählt, geht auf Verbindungen des Vereins dorthin zurück.
Klares Urteil zum einstigen Hoffnungsträger
Laut Klaus Heß vom Informationsbüro wurden Ländereien nach dem Umsturz kostenlos an Familien verteilt, die Bildung von Kooperativen staatlich gefördert. „Mit dem Antritt konservativer Regierungen seit den 1990er Jahren“, so Heß, wurde diese Förderung wieder beendet.
Der Verein beobachtet politische Entwicklungen, fördert Basisinitiativen und betreibt Bildungsarbeit mit Vorträgen und Publikationen. Auch um Einordnung sind die Experten nicht verlegen: Als just im 40. Gründungsjahr 2018 Hunderte protestierender Menschen in Nicaragua umkamen, urteilte das Büro: Inzwischen unterscheide Ortegas Politik sich kaum noch von jener der Somoza-Diktatur.
Heute gibt es Kritik am Preis, den Natur und Mensch in den Staaten der Grünen Revolution für die Hungerbekämpfung zu zahlen hatten. Das Informationsbüro teilt die Einwände – entschieden, aber differenziert: Ursprünglich hatte man ja Hoffnungen in den Neustart gesetzt. Hess heute: „In der Fixierung auf das Agro- und Rohstoffexportmodell unterscheiden sich auch rechte und linke Regierungen in Lateinamerika nicht wesentlich, allenfalls in der Rolle des Staates und in Sozialtransfers zur Armutsbekämpfung.“
Kritik an blinder Großproduktion
Wichtig scheint die Unterscheidung zwischen Ernährungssouveränität und Ernährungssicherheit: Geht es bei Letzterem hauptsächlich um sichere Versorgung, braucht es demnach zur „Souveränität“ den eigenen Zugang zu Saatgut, Land und Wasser. Heß zählt zu diesem Konzept auch das „Recht aller Völker und Länder, ihre Landwirtschafts- und Energiepolitik selbst zu definieren“. Die Versorgungsquote von 75 Prozent blieb laut Heß in Nicaragua zwar anders als anderswo erhalten – doch nur per Urwaldrodung und Erschließung neuer Flächen. Überhaupt hat das Büro ökologische Schäden durch die aktuelle Landwirtschaft im Blick, etwa durch vergiftete Böden.
Als Alternative befürwortet der Verein das Leitmodell einer kleinbäuerlichen Landwirtschaft: „Selbstversorgung, lokaler und regionaler Handel sollen Vorrang vor Export und Welthandel haben.“ Das Motto laut Heß: „Das Ende des industriellen Produktivismus: Für eine klimaschonende Agrarpolitik!“ Unverkennbar: Dieses „Büro“ steht nicht einfach für Informieren und Vernetzen; es vermittelt den Eindruck, dass klare Stellungnahmen ebenso dazugehören.
NIMMER SATT - Aktiv im Thema
solidarische-landwirtschaft.org | Das Netzwerk Solidarische Landwirtschaft e.V. setzt sich „gleichermaßen als Bewegung, basisdemokratische Organisation und Verband“ für umweltschonende Landwirtschaft ein.
enkeltauglich.bio | Das Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft streitet für eine „fundamentale Wende der Landbewirtschaftung und der Nahrungserzeugung“.
saat-gut.org | Der „Förderverein zur Entwicklung und Durchführung ökologischer Pflanzenzüchtung“ setzt sich für freies und samenfestes Saatgut ein.
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