Ein Kinobesuch ist stets mit Emotionen verbunden. Das Medium Film, wie auch immer geartet, vermag in den Bann zu ziehen. Eine große Leinwand, ein satter Klang für Audiophile und vor allem das kollektive Erleben in einem gefüllten Kinosaal machen dabei den kleinen Unterschied zu der Wahrnehmung eines Filmes auf Blu-Ray in den geschützten eigenen vier Wänden – mag das Smart-TV-Gerät noch so groß und das 5.1-Soundsystem noch so hochwertig sein. Freude, Liebe, Glück, Wut, Hass, Ekel, Schmerz, Furcht, Verachtung, Trübsinn, Überraschung, Neugierde. Welche Emotionen die Emotionstheoretiker auch noch für den Menschen festlegen möchten – im Kino können alle geweckt und darüber hinaus noch potenziert werden durch die Wechselwirkung mit den zur Einheit verschworenen Mitsehenden. Die Emotion Scham wird dabei nur selten mit Kino assoziiert, wie Julian Hanisch im Film-Dienst kürzlich beschrieb: Jeder Kinobesuch hat das Potenzial, Scham hervorzurufen. Wer als einziger lacht, wenn alles nachdenklich schweigt, wer erschrocken aufschreit, wenn alles lässig schaut, der möchte am liebsten vor Scham im Kinosessel versinken. Oder aber wenn der Film Reaktionen hervorruft, die nach Einschätzung des Kinogängers mal schön im Privaten bleiben sollen, wie es das Sex-Drama Nymph()maniac des Dänen Lars von Trier tut. In einem Kinobesuch kann demnach viel mehr stecken, als auf den ersten Blick für den „Konsumenten“ erscheint. Und hinter einem Kinobesuch steckt viel mehr, als man als „Konsument“ auf der Leinwand präsentiert bekommt.
Es steht nämlich die Frage im Raum, ob Kinofilme Kultur- oder Wirtschaftsgüter seien. Relevant wurde die Frage, als Großkinobetreiber vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die vom Filmfördergesetz (FFG) vorgesehenen Pflichtabgaben von 1,8 bis 3 Prozent des Jahresnettoumsatzes klagten. Ein Drittel des Gesamtetats für die deutsche Filmwirtschaft machen diese Abgaben aus. Für die Verteilung der Abgaben ist die Deutsche Filmförderungsanstalt (FFA) zuständig. Filmschaffende erhalten das Geld entweder nach Erfolg ihres Films, gemessen an Zuschauerzahlen bzw. Auszeichnungen, oder im Vorfeld projektbezogen. Ziel dieser Förderung ist die Stärkung der deutschen Filmwirtschaft mit besonderer Berücksichtigung des nicht-kommerziellen Kinofilms. Die Großkinobetreiber werfen ein, dass sie diese Filme nicht zeigten und die Filmförderung, da sie sich offensichtlich auf ein Kultur- und nicht auf ein Wirtschaftsgut beziehe, im Sinne der Kulturförderung Sache der Länder sei. Nun hat das Bundesverfassungsgericht im Januar eine Entscheidung getroffen: Kinofilme seien sowohl Kultur- als auch Wirtschaftsgüter. Der künstlerische Anspruch der geförderten Filme stehe nicht im Widerspruch zum wirtschaftlichen Erfolg. Zudem sei ein Staat, der sich als Kulturstaat versteht, dazu verpflichtet, auch der Kultur Schonung, Schutz und Förderung einzuräumen, ohne dabei den Ländern ihren Kulturauftrag streitig zu machen.
Soweit also zur Lage des Kinofilms in der Nation. Ob sich klingende Kassen und künstlerische Qualität in den nächsten Jahren zum Widerspruch oder zur Symbiose entwickeln, entscheiden auch wir, die Zuschauer, die wir vor den Kulissen sitzen und ein emotionales Erleben erwarten.
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