Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
25 26 27 28 29 30 31
1 2 3 4 5 6 7

12.554 Beiträge zu
3.784 Filmen im Forum

Orchester im Off: Opernbühne im Staatenhaus
Foto: Paul Leclaire

Gute Besserung

26. November 2015

Kölner Opernpremiere im Staatenhaus machte noch nicht glücklich – Klassik am Rhein 12/15

Quallen quollen reichlich im Ambiente einer leerstehenden Fabriketage, eine Plage überzog die imaginäre Bühne. Es sollten wohl Gorgonen sein, Töchter eines Meeresgottes, deren eine, Medusa, Schlangen statt Haarpracht präsentierte. Aber auch Leute, kostümiert wie die Spermien in einem Kultfilm Woody Allens, trieben hier ihr Unwesen. Spidermen und -women wirbelten an Seilen und färbten in der Luft hängend Schrift und Bilder auf einen hauchzarten Gaze-Store. Später wurden Figuren aus einem großen Menschenschädel aus den Augenhöhlen heraus kanoniert, grauenhafte Außerirdische zappelten in einer auskomponierten „Spiel im Spiel“-Szene. Dies alles birgt die neue Inszenierung der Opéra comique „Benvenuto Cellini“, eine sehr selten aufgeführte Oper von Hector Berlioz, mit der die Kölner Oper und der neue GMD Francois-Xavier Roth im neuen Ausweichquartier „Staatenhaus“ die neue Saison eröffnet hat.

„La Fura sind da sehr flexibel“, so hieß es im Vorfeld aufkommender Schwierigkeiten über das katalanische, einst avantgardistische Regieteam „La Fura dels Baus“, das sich mit einer gelungenen Regieleistung zu einem Stockhausen-Wagnis in die Kölner Herzen eingebrannt hat. Die Berlioz-Inszenierung sollte eigentlich die neu eröffnete Kölner Oper am Offenbachplatz festlich einweihen. Dies hatte sich kurz vor der anberaumten Premiere als unhaltbar erwiesen, bereits gedruckte Jahresprogramme wurden wieder eingestampft, das Interim um zwei Jahre verlängert. Jüngste Entwicklungen weisen allerdings auf eine weitere Interims-Verlängerung hin, sodass die neue Bleibe auch Quartier für viele kommende Jahre werden könnte – wenn sie denn überhaupt zur Verfügung steht.

Trotzdem ein Blick auf das Staatenhaus. Raum bietet die Halle genügend, Hallensegmente sind durch Vorhänge flexibel abzugrenzen, die Raumhöhe lässt einiges zu. Die Fußwege sind weit, schon der Anmarsch vom Deutzer Bahnhof aus erfordert 15 Minuten zügigen Schrittes; das hören nicht nur die „grauen Wölfe“ nicht gern. Da ja in diesen Hallen kein Orchestergraben vorhanden ist, bildet die Position des Orchesters eine schwierige Aufgabe. Jetzt saß das Städtische Orchester relativ weit hinter der Szene wie ein Fernorchester. Es wehte zwar feiner Klang bis zur Publikumstribüne, Stimmen und Orchester mischen kann aber so niemand. Chor und Extrachor wurden vom Chordirektor eingelotst, der mit Rapper-Kappe getarnt vor der Bühne und neben einer Co-Dirigentin hockte, die den Solisten die Einsätze andiente.

Die Not zeitigt hier ein verrücktes Strickwerk, fast so verrückt wie die Inszenierung selbst, die mit tollen Bildern, origineller Akrobatik und unglaublich großen Bühnenmaschinen die Verwirrung des Betrachters zu einem großen Fragezeichen steigert. Wären jetzt die Sänger durchgängig so gut wie die Musik und so laut wie die Bilder gewesen, ich hätte es gern berichtet. Den Gipfel markierte der Tenor des Cellini – hoffentlich war er indisponiert. Dann gute Besserung.

„Benvenuto Cellini“ | Do 26.11., Sa 28.11.19 Uhr | Oper Köln, Staatenhaus | 0221 22 12 84 00

Olaf Weiden

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Chantal im Märchenland

Lesen Sie dazu auch:

Ein Schluck auf die Liebe
„Der Liebestrank“ an der Oper Köln – Oper in NRW 11/23

Lynchmord in New Orleans
Uraufführung von „The Strangers“ an der Oper Köln – Oper in NRW 09/23

Komplexer Märchenstoff
„Die Frau ohne Schatten“ in der Oper Köln – Oper in NRW 08/23

Bedrohung aus dem Inneren
Uraufführung von „La bête dans la jungle“ an der Oper Köln – Oper in NRW 04/23

Des Seemanns Apokalypse
„Der fliegende Holländer“ an der Oper Köln – Oper in NRW 03/23

Verblendete Väter
„Luisa Miller“ an der Oper Köln – Oper in NRW 02/23

Triumph der Güte
„La Cenerentola“ an der Oper Köln – Oper in NRW 12/22

Verkannte Liebe
„Der Zwerg / Petruschka“ an der Oper Köln – Oper in NRW 11/22

Liebe und Göttliche Aufträge
„Les Troyens“ an der Oper Köln – Oper in NRW 09/22

Im Stil der Commedia dell‘arte
„Il Barbiere di Siviglia“ an der Oper Köln – Oper in NRW 06/22

100 Jahre „Die tote Stadt“
Oper Köln begeht Korngold-Jubiläum – Oper in NRW 12/20

Verschleierungstaktik
Realistische Kosten der Kölner Bühnen-Sanierung – Theater in NRW 10/19

Klassik.

Hier erscheint die Aufforderung!