Wer sich nicht völlig von allen Medien abgeschottet hat, kam in den letzten Wochen nicht umhin festzustellen, dass ein internationales Großereignis immer näherrückt: die Fußball-WM 2014 in Brasilien. Aus allen Kanälen wird geschossen. Reportagen auf öffentlich-rechtlichen sowie privaten Sendern über Kämpfe zwischen Staat und Drogenkartell, über Armut und Gewalt drängen sich zwischen die Hickhack-Berichte über die Güte des Kaders und des Trainerstabs im Allgemeinen und über den arg wandelbaren Gesundheitszustand der Nationalspieler im Besonderen. Ein bekannter Sportartikelanbieter fährt ein Großaufgebot an internationalen Stars auf, um von seinen professionellen Schuhen zu überzeugen, Jogi lächelt perfekt eingecremt in die Kamera, Manuel Neuer braucht Hilfe beim Kofferpacken und ein koffeinhaltiges Erfrischungsgetränkt beschwört ein Wir-Gefühl herauf. Und diese Maschinerie wird funktionieren. Einen Monat lang wird mit Freunden dauergegrillt, mit Fremden beim Public Viewing gekuschelt, in Bier geduscht und später obligatorisch gehupt.
Gemeinsames Erleben vor einer großen Leinwand? Genau unser Metier, dachten sich wohl die großen Kinobetreiber. Und so werden die Kinosäle der Ketten Cinemaxx und Cinestar zu einem Hort für Fußballbegeisterte umfunktioniert, wenn die deutsche Nationalmannschaft ihren Auftritt hat. Das UCI möchte an den Erfolg von 1990 anknüpfen und wirft am 5. Juni zur Einstimmung „FIFA Fußball-WM 1990 – Der offizielle Film“ auf die Leinwand. Ob sich die Zahlenreihe 54-74-90 mit 14 fortsetzen lässt, bleibt dennoch abzuwarten. In der Heimat des zukünftigen Deutschen Fußballmuseums wirft das Kino im U einen anderen Blick auf die sogenannte schönste Nebensache der Welt. Mit der Dokumentation „Exstase und Schock – Die Fussballhauptstadt Buenos Aires“ gehen Marc Mauricius Quambusch und Jan-Henrik Gruszecki den Schattenseiten des emotionalisierenden Sports nach: Korruption und Gewalt, ohne Aussicht auf eine friedliche Lösung. Letztgenannter wird am 5. Mai persönlich für Fragen und Diskussion anwesend sein. Wie eng Fußball mit gesellschaftspolitischen Problemen verknüpft sein kann, zeigt der Film „Football Under Cover“ am 6. Juni. Die Iranische Frauennationalmannschaft spielt zum ersten Mal seit der Revolution. Gegen eine Berliner Mannschaft.
Aber nicht jeder ist süchtig nach der Volksdroge Fußball und eine kleine Pause von dieser kann erquicklich sein. Daher ist es sehr erfreulich, dass die Kinos im Ruhrgebiet auch im Juni ihr vielfältiges Programm fortsetzen. Nicht nur die knapp 40 Bundesstarts, Blockbuster oder Arthouse, Komödie oder Thriller, kurz und knackig oder epochal, erwarten den geneigten Kinogänger, sondern auch viele Sonderveranstaltungen. Das Filmforum Duisburg legt in der Reihe Filmmuseum alte Schätze in den Projektor wie „Bonnie und Clyde“, „Chinatown“ und „The Wild Bunch“. Alten und älteren Filmen gibt auch das Endstation Kino in Bochum eine Chance, wenn es „Die Reifeprüfung“, „Down by Law“ und „Jonas“, dieser präsentiert von Kassierer-Frontmann Wolfgang Wendland höchstpersönlich, in den Kinosaal bringt. Das Casablanca in Bochum rückt düsteres Genrekino aus dem Nachbarland Österreich in den Fokus, das Dortmunder sweetSixteen entführt am 1. Juni mit „As Time Goes By in Shanghai“ in das Reich der Mitte und die Essener Filmkunsttheater machen mit Filmen auf Englisch, Französisch und Spanisch der Fußball-WM in puncto Internationalität gehörig Konkurrenz. So oder so, es wird im Juni spannende Stunden im Kino geben.
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