Hilde Rake (Liv Lisa Fries) lernt 1940 in Berlin Hans Coppi (Johannes Hegemann) kennen. Hans ist als Funker aktiv in einer Berliner Widerstandsgruppe, die unter anderem Verfolgten hilft, Flugschriften verteilt, Verbrechen der Wehrmacht auflistet und Informationen über deutsche Kriegsvorbereitungen weiterleiten will. Auch Hilde unterstützt bald die Gruppe. 1942, sie ist jetzt mit Hans verheiratet, fliegt die Gruppe auf. Die autarken Widerstandszellen, später unter dem Namen Rote Kapelle bekannt, werden von der Gestapo bewusst fälschlicherweise als sowjetisch gelenkt gelistet – die Urteile fallen entsprechend gnadenlos aus. Hilde ist bei ihrer Festnahme hochschwanger. Auch sein letzter Film „Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush“, die heiter-tragische Odyssee einer Mutter, basierte auf einer historischen Figur. Mit „In Liebe, Eure Hilde“ nun stellt Andreas Dresen sein letztes Werk, ja: sein gesamtes bisheriges filmisches Schaffen, in den Schatten. Dies gelingt schlichtweg über das, was Dresen grundsätzlich ausmacht: Nähe und Unmittelbarkeit. Nur übertrifft sich der Regisseur diesmal selbst: Mit Authentizität auf allen Ebenen, nahezu jede Szene wirkt intim. Die Kamera (erstmals für Dresen tätig: Judith Kaufmann, „Das Lehrerzimmer“) bewegt sich, wiederholt in langer Einstellung, distanzlos in Nähe zu seiner Figur – und bleibt dabei zugleich unaufdringlich. Die Bildsprache reduziert, der Score beschränkt auf wenige Klänge aus dem Akkordeon: Dresen inszeniert nahezu ohne Filter. „In Liebe, Eure Hilde“ geht nah. Allen voran trägt diese Nähe Liv Lisa Fries („Babylon Berlin“, „Kafka“), die sich der Kamera in jeder Einstellung öffnet. Vollkommen. Fries‘ Performance geht durch Mark und Bein.
New York, wir schreiben die 1970er, und Donald Trump (Sebastian Stan, „A Different Man“) ist gerade in seinen Dreißigern. Sein Vater, Fred Trump (Martin Donovan), hat längst ein Immobilienimperium aufgebaut. Trump steht in seinem Schatten, arbeitet in Dads Kanzlei, macht 1968 seinen Bachelor. Der Millionärssohn bewegt sich, und hier setzt die Filmhandlung ein, in elitären Kreisen. Und eben dort begegnet er dem konservativen Anwalt Roy Cohn (Jeremy Strong). Cohn erkennt Trumps Potenzial und führt ihn als Mentor in die Spielregeln der Macht, der Erpressung und der Lüge ein. Ein Lügengerüst, das dem künftigen US-Präsidenten zur zweiten Haut erwächst und ihm eine goldene Zukunft beschert. Der Spielfilm „The Apprentice - The Trump Story“ ist erschütternd und gut, und Donald Trumps Anwälte haben natürlich reflexhaft eine Unterlassungsaufforderung eingereicht: Das Drama soll nicht in den USA starten! Und schon gar nicht vor der anstehenden Präsidentschaftswahl. Der Vorwurf der Wahlmanipulation steht im Raum. Dabei ist der Film gar keine US-amerikanische Produktion. „The Apprentice“ ist ein kanadisch-dänisch-irischer Spielfilm, Regie führt der iranisch-dänische Filmemacher Ali Abbasi („Border“, „Holy Spider“). Und auch, wenn Abbasi konkret von Trump und Cohn erzählt, betont Abbasi, „The Apprentice“ sei „kein Biopic“, sondern in erster Linie ein Film über die Beziehung der beiden – und über ein System, das Machtmenschen wie Cohn und Trump möglich macht. Abbasi erzählt spannungsvoll und souverän, die beiden Hauptdarsteller brillieren, vor allem Method Actor Jeremy Strong. „The Apprentice“ fächert ein Machtsystem und seine Regeln auf, ein System, das seit Jahrzehnten gedeiht und heute weltweit die Demokratien ernsthaft erschüttert.
Außerdem neu in den Ruhr-Kinos: Dani Rosenbergs tragikomisches Drama „The Vanishing Soldier“, Karin und Peter Wejdlings NGO-Doku „urgewald - Auf den Spuren des Geldes“, Cyrill Boss' und Philipp Stennerts Hohlbein-Adaption „Hagen - Im Tal der Nibelungen“, Parker Finns Horrorsequel „Smile 2 - Siehst du es auch?“, George Huans Actioner „Weekend in Taipei“, Nuno Beats Animationsdrama „All unsere Dämonen“ und Mascha Halberstads Trickfilmabenteuer „Fuchs und Hase retten den Wald“.
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