Rifkin‘s Festival
Italien, Spanien, USA 2020, Laufzeit: 88 Min., FSK 12
Regie: Woody Allen
Darsteller: Elena Anaya, Louis Garrel, Gina Gershon
>> www.filmweltverleih.de/cinema/movie/rifkins-festival
Filmverliebte Tragikomödie
Gereifte Unreife
„Rifkin‘s Festival“ von Woody Allen
Mort Rifkin (Wallace Shawn, „Manhattan“) bezeichnet sich selbst als Mittelstandsjungen aus der Bronx, und Mort liebt das Kino. Also, das europäische Kino. „Manche mögen’s heiß“ und „Leoparden küsst man nicht“ befand er seinerzeit verabscheuenswürdig. Nein, wahres Kino kommt aus Europa – nicht ohne Grund prahlt Mort unablässig mit seiner Dozententätigkeit an der Cinémathèque. Heute geht er mit seiner Frau, der PR-Beraterin Sue (Gina Gershon), durch seinen Ruhestand – in permanenter Unruhe. Mort rennt nicht nur noch immer seinem unvollendeten Debütroman hinterher, sondern auch dem Sinn des Lebens, und er brüskiert sich dabei unaufhörlich genüsslich über die zeitgenössische Filmkultur. Gemeinsam mit Sue besucht er gerade das Filmfestival von San Sebastian. Dort erliegt Luis zusehends dem Charme des gefeierten Nachwuchs-Regisseurs Philippe (Lois Garrel). Mort nimmt daraufhin verzweifelt die Ärztin Jo (Elena Anaya) ins Visier.
Nein, wir werden diesmal nicht Woody Allens Alter erwähnen. Genug gesagt ist ja, wenn man dem Film beste Gesundheit, geistige Frische und stabile Ausdauer attestieren darf. Und man darf das. Bewährt redselig und flott führt Allen durch seine neue Tragikomödie, die zugleich eine wundervolle Liebeserklärung an das Kino darstellt. Und an Europa. Unserem Kontinent hatte sich der Filmemacher seit den Nuller Jahren geöffnet, als er damit begann, fernab vom geliebten New York vor europäischer Kulisse zu inszenieren. „Rifkin’s Festival“ ist nun nicht nur europäisch verortet, Woody Allen flechtet hier auch vergnüglich Referenzen an seine cineastischen Vorbilder ein. Wiederkehrende Schwarzweiß-Sequenzen versetzen seinen schrulligen Helden Mort in bekannte Szenerien anfangs amerikanischer, dann aber beevorzugt europäischer Klassiker, in denen Mort mal auf dem Fahrrad mit Sue und Philippe die Menage-a-Trois diskutiert oder am Strand mit dem Tod (Christoph Waltz) Schach spielt. Die europäische Phase beginnt für Allen tatsächlich nicht erst in diesem Jahrtausend – Europa hatte ihn als Filmemacher da schon längst geprägt. Mit dem, was er dem europäischen Kino auch hier attestiert: Anmut und Reife.
Beides bewahrt sich Woody Allen auch hier: Kurzweilig und leichthändig, beseelt, aber nicht verkopft folgt er seinem Alter Ego Mort mit stets zynischem Kommentar aus On und Off, stimmungsvoll angesiedelt im sommerlichen Ambiente der baskischen Hafenstadt. Dabei ergötzt sich Allen schelmisch bis tragisch an Frau und Mann, was besonders gelungen über Mort funktioniert, der als Sinnbild der Ausgeburt ewiger Unreife herhält. Unbeholfen, unstet und, klar: neurotisch bis zum Anschlag. Ein Junge im achten Jahrzehnt im siebten Himmel. In seinen früheren Filmen hat Allen die Leinwand durchbrochen („The Purple Rose of Cairo“) oder Fellini kopiert („Stardust Memories“). Mit „Rifkin‘s Festival“ liefert der Regisseur aus Manhattan eine ungleich unmittelbare Liebeserklärung an das europäische Kino und an dessen Einflüsse. Und natürlich, wie gewohnt, an Frau, Mann und Makel.
(Hartmut Ernst)
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