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Das große Heft

Das große Heft
Deutschland, Ungarn, Frankreich, Österreich 2013, Laufzeit: 112 Min., FSK 12
Regie: János Szász
Darsteller: András Gyémánt, László Gyémánt, Gyöngyvér Bognár
>> www.das-grosse-heft.de

Schmerzlich poetische Antikriegsparabel

Schutzpanzer
Das große Heft“ von János Szász

Der Zweite Weltkrieg überrennt Osteuropa, ein Zwillingsbruderpaar (András und László Gyémánt) wird von der Mutter aus der Stadt hinaus aufs Land zur Großmutter (Piroska Molnár) gebracht. Die alte Frau nimmt die Jungen nur widerwillig auf und erweist sich als Drache. Auch die Zustände unweit im Ort sind unerbittlich. Überall setzt es Hiebe, über dem Landstrich liegt der unbarmherzige Schatten des Krieges, wo kein Platz ist für Moral und Nächstenliebe. Um dem zu widerstehen, versuchen die beiden Jungen, sich konsequent gegen die Gewalt von außen abzuhärten. Ihr tägliches Erleben, ihre konsequente Abkehr von Schmerz, Emotion und Bindung, dokumentieren sie in einem Tagebuch der gelebten Wahrheit, in einem großen Heft.

Die Einträge der Brüder bilden den Roman „Das große Heft“, den die ungarische Literatin Ágota Kristóf 1986 mit entsprechend knapper, ungeschminkter Sprache darnieder schrieb, und mit dem sie grausam ernüchternd bohrt im kriegsbedingten Verlust jedweder Menschlichkeit. Eine trist formulierte Abrechnung mit den menschlichen Abgründen, parabelhaft gespiegelt am Schicksal zweier Kinder. Regisseur Janos Szász entschied sich dazu, die stilistisch karge Vorlage in poetische Bilder zu kleiden. Die Kamera führte Christian Berger, der bereits mit Michael Hanekes „Das weiße Band“ darlegte, wie wirkungsvoll der alltägliche Schrecken visuell poetisch gerahmt werden kann, ohne das Geschehen damit zu verklären.

Auch Szász verliert sich bei seiner Suche danach, der Vorlage gerecht zu werden, in surreal anmutende Bilder, die am Ende doch nur eine schöne, aber ungeschönte Idylle der Alltäglichkeit abbilden. Szász inszeniert einen Antikriegsfilm. Einen Film ohne Helden. Einen Film der Sinne. Einen Film der Entmenschlichung. Die intensive Gestaltung seines Films mag der nüchtern formulierten Vorlage widerlaufen, doch deren Seele trifft Szász auf den Punkt. Die Kraft seiner Bilder führt schließlich nicht ins Phantastische, sie erfasst vielmehr die objektive Schönheit der natürlichen Kulisse und verstärkt damit die real erfahrene Unwirklichkeit, die Unfassbarkeit des Erlebten. Szász lässt die Nüchternheit der Vorlage in ein bildgewaltiges Gleichnis auslaufen, das einen zugleich ebenso ernüchtert zurücklässt. Und tief bewegt. Verstärkt wird diese schmerzlich schöne Ästhetik des fern brodelnden Grauens durch den enthobenen, akzentuiert gesetzten Soundtrack, der ganz minimalistisch psychedelische Akzente setzt und den Sog in die Abgründe umso intensiver gestaltet.

Nicht zuletzt überzeugt auch die Besetzung der Schauspieler, allen voran die Leistung der Zwillinge Gyémánt, die ihre Spieldebüt als verlorene, verbrüderte Seelen überzeugend stemmen. Piroska Molnár spielt die Großmutter beängstigend dem psychotischen Wahnsinn nah, ohne ihre Rolle zu dämonisieren. Ulrich Matthes mimt lebensmüd entrückt den an der Front gebrochenen Vater. Eine beängstigende, ergreifende Komposition über den Krieg jenseits der Schützengräben, ein bedrückend weises Filmdrama, eine Adaption, die mit ihren Bildern schmerzlich streichelt und dabei nichts verharmlost.

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