City of God
Brasilien 2002, Laufzeit: 128 Min., FSK 16
Regie: Fernando Meirelles, Katia Lund
Darsteller: Matheus Nachtergaele, Seu Jorge, Alexandre Rodrigues, Leandro Firmino da Hora, Phelipe Haagensen, Jonathan Haagensen, Douglas Silva, Roberta Rodriguez Silvia
Lateinamerikanisches Kino ist wieder schwer im Kommen sowohl mit kleinen Filmen ("Ein Glückstag", "Historias Minimas", "Japón"), als auch im ambitionierten Mainstream ("Die Versuchung des Padre Amaro"). City of God gehört sicherlich in die zweite Kategorie, das Adjektiv vor Mainstream sollte man hier aber ganz groß schreiben! "City Of God" kann man getrost ein Epos nennen, dass den Beginn der organisierten Kriminalität in den Favelas von Rio de Janeiro in den späten 60er Jahren bis zu den großen Bandenkriegen in den frühen 80er Jahren kunstvoll erzählt. Anhand der Figur Buscapé begleiten wir den Aufstieg einiger Kids zu mörderischen Bandenchefs im Drogenkrieg. Regisseur Fernando Meirelles macht damit den Versuch, Paulo Lins halbbiografischen Roman "Cidade De Deus" zu verfilmen. Das 600-seitige, vielgefeierte Werk umspannt eben jene Zeitklammer und gut 300 Charaktere. Meirelles destilliert mittels einiger Auslassungen daraus eine erstaunlich komplexe wie nachvollziehbare eigene Welt mit eigenen Gesetzen, einer eigenen Logik und einer oftmals absurd erscheinenden Alltäglichkeit von Gewalt. Dadinho und Buscapé wachsen beide in der neu erbauten, relativ friedlichen Barackensiedlung Cidade de Deus auf. Buscapé, schüchtern, romantisch und mit einer kreativen Ader, wünscht sich ein ruhiges Leben, ein nettes Mädchen und eine Kamera, denn er träumt davon, Fotograf zu werden. Dadinho, später Locke genannt, hat schon früh alle moralischen Instanzen über Bord geworfen und sucht sein Glück nach einer Karriere als Kleinkrimineller im in den 70er Jahren aufkommenden Drogenhandel und geht dabei über unzählige Leichen. Als einige Jahre später der Bandenkrieg tobt, kreuzen sich ihre Wege wieder: Buscapé soll jetzt auch schießen für die Zeitung Fotos von Locke, der nicht länger nur berüchtigt sein, sondern auch berühmt werden will.Meirelles bekommt dieses Monumentalwerk in den Griff, indem er die Geschichte in drei großen Kapiteln erzählt: den kleinkriminellen Beginn als leicht romantisierte, braun gefärbte Erinnerung, den hippieesken Ausbau des Drogengeschäfts in den 70ern als Popkultur durchtränkten Rausch, unstrukturiert, ausufernd, aber gut gestylt, und den harten Kampf in den 80er Jahren als kühle, hart geschnittene alles zerstörende Raserei, bei der man gänzlich den Überblick über all die (Kinder-) Charaktere zu verlieren droht. Man mag Mereilles vorwerfen, dass er im zweiten Teil, wenn Samba und Schüsse sich zu einem wilden Rhythmus mischen, ein zu luftiges Bild zeichnet, und er im dritten Teil einer martialischen Ästhetik erliegt (eine Kritik, die so oder ähnlich auch zu hören war). Man sollte aber auch sehen, dass genau diese für uns kaum zu vereinbarenden Dinge hier Schlaghose, Party und Drogenrausch und eruptive Gewaltausbrüche, da soldatischer Aufmarsch von 10jährigen, die wegen eines falschen Wortes töten absurde Realität sind. Man kann schon glauben, dass die an die 100 Laiendarsteller aus den Favelas rund um Rio de Janeiro sich ihre Posen und Gesten nicht alle ausgedacht haben. Sie spielen das Leben nach, dass sie tagtäglich um sich herum erleben.
(Christian Meyer)
Programmkollaps
Vergraulen immer komplexere Kinoprogramme das Publikum? – Vorspann 09/24
Zurück zum Film
Open-Air-Kinos von Duisburg bis Dortmund – Vorspann 08/24
Der Sieg des Glaubens
„Führer und Verführer“ im Kölner Odeon mit Regisseur Joachim Lang – Foyer 07/24
Lichtspiele mit Charme
Eröffnung der Ausstellung „Glückauf – Film ab!“ im Ruhr-Museum – Foyer 07/24
„Poor Things“, reiches Cannes
Eine Bilanz der ersten sechs Kinomonate – Vorspann 07/24
„Es geht um Geld, Gerechtigkeit und Gemeinschaft“
Regisseurin Natja Brunckhorst über „Zwei zu eins“ – Gespräch zum Film 07/24
Der Tod, der uns verbindet
NRW-Premiere von Eva Trobischs „Ivo“ – Foyer 06/24
Ewige Stadt, ewiges Kino
In Rom werden aus alten verlassenen Kinos wieder Kinos – Vorspann 06/24
Ein letzter Blick von unten
„Vom Ende eines Zeitalters“ mit Filmgespräch im Casablanca Bochum
„Wir erlebten ein Laboratorium für ein anderes Miteinander“
Carmen Eckhardt über „Lützerath – Gemeinsam für ein gutes Leben“ – Portrait 05/24
Grusel und Begeisterung
„Max und die wilde 7: Die Geister Oma“ mit Fragerunde in der Schauburg Dortmund
Wenn Kino Schule macht
Die Reihe Filmgeschichte(n) spürt Schulgeschichten auf – Festival 05/24
Der Kurzfilm im Rampenlicht
Die Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen 2024 – Vorspann 05/24
„Ich wollte die Geschichte dieser Mädchen unbedingt erzählen“
Karin de Miguel Wessendorf über „Kicken wie ein Mädchen“ – Portrait 04/24
Mehr als „Malen-nach-Zahlen-Feminismus“
„Ellbogen“ im Kölner Filmpalast – Foyer 04/24
Sichtbarkeit vor und hinter der Leinwand
Das IFFF fordert Gleichberechtigung in der Filmbranche – Festival 04/24
„Ich mag realistische Komödien lieber“
Josef Hader über „Andrea lässt sich scheiden“ – Roter Teppich 04/24
„Viel Spaß beim Film“
Vom Ende der Platzanweiser:innen – Vorspann 04/24
„Kafka empfand für Dora eine große Bewunderung“
Henriette Confurius über „Die Herrlichkeit des Lebens“ – Roter Teppich 03/24
„Alles ist heute deutlich komplizierter geworden“
Julien Hervé über „Oh la la – Wer ahnt denn sowas?“ – Gespräch zum Film 03/24
Was läuft im Kino?
Über die Programmierkunst echter und gespielter Helden – Vorspann 03/24
Bären für NRW-Filme?
21. NRW-Empfang im Rahmen der 74. Berlinale – Foyer 02/24
Bezeugen, was verboten ist
NRW-Kinopremiere: „Green Border“ von Agnieszka Holland mit Vorgespräch
„Man kann Stellas Wandel gut nachvollziehen“
Jannis Niewöhner über „Stella. Ein Leben.“ – Roter Teppich 02/24
Prognose: Lachstürme
Die Komödie findet endlich ins Kino zurück – Vorspann 02/24