Bimsis Alltag beginnt morgens auf dem Weg zur Ruhr-Universität Bochum. Menschen drängen sich in die U-Bahn. Und inmitten dieser Menge starren sie oft Männeraugen an: neugierig, kontrollierend, vor allem belästigend. Am Campus angekommen, geht es für sie in den Seminarräumen weiter: Hier sei es oft nicht einfach, an Diskussionen teilzunehmen. Ein dominantes, männliches Redeverhalten präge noch immer das Klima, beklagt Bimsi. Ihre Freundin Miri ergänzt: „Als Frau erlebt man es jeden Tag. Daher sind das auch keine Kleinigkeiten mehr.“
Doch irgendwann war es ihnen genug, wie sich Miri erinnert: „Es gab eine Sache, wo es einfach zu weit ging. Danach wollten wir was machen.“ So gründeten sie das Antisexistische Aktionsbündnis, kurz: ASAB. Zehn Aktivist:innen engagieren sich dort derzeit: Frauen und Männer zwischen 19 und Mitte 30. Und auch die Berufsgruppen sind unterschiedlich. Studierende, Azubis und Arbeitslose sind dabei. „Die Ideen und Erfahrungen kommen aus unterschiedlichen Ecken“, sagt Miri.
Doch alle eint eine Erfahrung: Übergriffe. Und solche Grenzüberschreitungen erlebten alle auch schon auf linken und alternativen Veranstaltungen oder Partys, vor allem wenn Alkohol fließt. Das überrascht zunächst, wie Miri meint: „Viele Leute in linken Strukturen denken, dass es im eigenen Milieu keinen Sexismus gibt. Aber man erlebt alles Mögliche.“ Um dem entgegenzuwirken, haben sie das ASAB gegründet, so die 26-jährige: „Wir sind die einzige Gruppe, die sich die linke Szene auf die Fahne geschrieben hat.“
Und dort gebe es eben die üblichen Verhaltensmuster, erklärt Bimsi: „Es sind ja gesellschaftliche Strukturen, die Teil unserer Sozialisation sind.“ Dominanz, Stärke und die Unterdrückung von Emotionen gehören zu den männlichen Rollenbildern. Um dafür zu sensibilisieren, veranstalten sie etwa die Reihe „Feministischer Tresen“ mit unterschiedlichen Referent:innen. Zudem arbeitet das ASAB eng mit Bochumer Szenelokalen zusammen. Bei Partys stellen sie oft das Awareness-Team und sind Ansprechpartner:innen, falls etwas passiert. Aber es gehe hier nicht darum, übergriffige Personen zu belangen, wie Miri klarstellt: „Wir achten auf einen sicheren Raum. Aber wir sind keine Sexismus-Polizei.“
Mit ihrem Transparent werden sie auch am 8. März, dem Internationalen Frauenkampftag, demonstrieren, denn trotz einiger Fortschritte erscheint für sie Gleichberechtigung noch in weiter Ferne: „Ich habe das Gefühl, dass es wieder einen konservativen Backlash gibt“, befürchtet Miri. „Die emanzipierte Frau ist da das Feindbild.“ Gerade von Rechts werden feministische Motive entwendet. „Wir wollen unsere emanzipatorischen Themen behalten“, sagt die freie Künstlerin.
Umsetzen wollen sie das ohne große, feministische Utopien: „Uns geht es um die emanzipatorische Gestaltung von Freiräumen und diese sicher zu machen“, erklärt Miri. Ein selbstbestimmtes Miteinander und Lernen zählen sie dazu. Dazu sollen auch Workshops und Vorträge beitragen, erklärt Carle: „Wir wollen eine Plattform gründen, damit Diskussionen angestoßen werden.“ Geduld und Ausdauer sei da gefragt: „Das wird sich nie ändern“, so Carle. „Umso wichtiger ist es ja, dass wir darüber reden.“ Und Bibi nimmt ein Wort in den Mund, das sonst eher Konservative verwenden: „Wir machen viel Realpolitik“, sagt die 22-Jährige. Aber fügt hinzu: „Wir müssen viel Scheiße beseitigen.“
Das Antisexistische Aktionsbündnis (ASAB) lädt jeden dritten Mittwoch (ab 19 Uhr) zum „Feministischen Tresen“ ein. Mehr Infos unter: ASAB.Ruhr@solidaris.me
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