Ich bin bei einer Veranstaltungin Sachen „Neuer Feminismus“: Eine fulminante Mischung aus Terre-des-Femmes-Frauen, MANNdats-Rechtlern und gewissen Feministinnen, die den Islam als frauenfeindliche Wurzel allen weiblichen Übels betrachten – nicht weniger rassistisch und segregierend als das pöbelnde MANNdat.
Jene anti-feministische Maskulisten-Gruppe fühlt sich diskriminiert, weil der neue Feminismus ihnen angeblich alle Rechte abschneide. Insbesondere weil sie weiße Männer sind. Deshalb wollen sie zum einzig wahren Ursprung zurück. Mit fünf sexistischen Sprüchen, die ich aufgrund politischer Korrektheit alle nicht erwähnen darf, und einem Kinnhaken werde ich grobschlächtig begrüßt. Wie zum Test wird mir – mit einer Tiger-Tatze – dazu ein Bier gereicht, um zu testen, ob ich „männlich“ genug für den MANNdats-Tisch bin. Die Frauenquote finden „Wolf“ und „Tiger“, wie sich aus ihrer animalischen Sehnsucht heraus nennen, zum Kotzen. Ob man denn als Frau gar nichts mehr auf die Reihe kriege, als sich per Schaukel umsonst durch das Gehaltsparadies kutschieren zu lassen, heißt es – ein Paradies, das ursprünglich Männern gehörte: weißen, heterosexuellen Männern, die sich das hart erarbeitet hätten. Eine Spezies, die sich extrem bedroht fühlt durch das Konglomerat aus neuem Feminismus und schwul-lesbischer Verschwörung. Mir wird mulmig angesichts der rassistischen und sexistischen Sprüche. Doch als Kind der Generation Alt-68er habe ich gelernt, für meine Rechte einzustehen. So kippe ich das Bier „ganz männlich“ in nur einem Schluck herunter. Indessen überkommt mich aufgrund des mulmigen Gefühls und der viel zu nah erscheinenden pelzigen Tiger-Tatze neben mir der Drang, ein Bäuerchen zu machen – bis mir auffällt, dass ich mich dann ebenfalls sexistisch verhalten würde, weil ich allen Männern damit unterstellen würde, sich wie Trampel zu benehmen. Und das ist längst nichtso.
Also piepse ich, dass Männer immer noch viel mehr verdienten als Frauen.Sexismus, kontert Rainer von der Gruppe „Papa auch“, gebe es aber auch gegenüber Männern. Soklagt er, dass sein Sprössling diskriminiert werde, nur weil er ein Junge sei, während seine Ex-Frau ihm den Umgang mit ihm erschwere.
Als Gipfel erklärt eine Vertreterin des Neuen Feminismus in Form einer Dia-Projektionnun, dass Silvesterböller verboten werden sollten, da diese das Patriarchat unterstützten: Das explodierende Böllerwerk erinnere an einen männlichen Orgasmus und verdränge die Frau aus dem hart erkämpften Liebeshimmel. Während eine Feministin Sticker zum Thema „Der Islam und die Unterdrückung der Frau“ ausgerechnet an Frauen mit Kopftüchern verteilt und übergriffigerweise auf selbige Tücher klebt, gerät ein Männerrechtler in einen Streit mit der sexistischen Anti-Böller-Aktivistin. Als geschlechtsneutraler Höhepunkt spritzt statt eines orgasmischen Feuerwerks und männlichen Ejakulats viel Blut durch den Raum. Immerhin weibliches wie männliches. Ich stelle fest, dass alles – einfach alles, was wir sagen – sexistisch ist.
Deshalb beschließe ich, mich objektiv aufzulösen. In ein genderneutrales Nichts. Ihr könnt mich besuchen in einem hoffentlich irgendwann einmal gerechteren Geschlechterhimmel. See you in Heaven.
Neuer Feminismus - Lesen Sie weitere Artikel
zum Thema auch unter: choices.de/thema und engels-kultur.de/thema
Aktiv im Thema
maedchenmannschaft.net | Ein diverses Team von Autorinnen publiziert hier feministische Beiträge zu Politik und Kultur.
www.feuerundbrot.de | In dem Podcast „zwischen Politik & Popkultur“ haben auch Feminismus und Antirassismus ihren Platz.
missy-magazine.de | Das seit 2008 erscheinende Magazin diskutiert Popkultur und Politik in feministischer Perspektive.
Fragen der Zeit: Wie wollen wir leben?
Schreiben Sie uns unter meinung@trailer-ruhr.de
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Feministische Politik für sichere Räume
Das Antisexistische Aktionsbündnis Ruhr (ASAB)
„Das ist eine koloniale Haltung“
Kübra Gümüşay über Rassismus im Feminismus
Geschlechter-Gerechtigkeit in der Lohnabrechnung – Vorbild Island
Der isländische „Equal Pay Act“
Hört verdammt nochmal zu!
Feminismus für die Zukunft
Die große, alte Seltene Erde
Die Mächtigste von uns allen ist unser Planet. Und seine Rache wird grausam sein – Glosse
Mord im Dunkeln
Lasst Tote sprechen – Glosse
Aus Sicht des Betroffenen
Was kein Schmerz aushält – Glosse
Von Bäumen und Bräuten
Der moralische Wankelmut der Menschen – Glosse
Auf der Firmenfeier von Deutschland
Wo Kritik an den Medien auf diverse Betrachtungsweisen stößt – Glosse
Demokratie heißt Wahlfreiheit. Kapitalismus auch
Wenn Zukunftsvisionen sauer aufstoßen – Glosse
Fünf Welten, ein Virus
Warum es auf den Standpunkt ankommt – Glosse
Die Zeit der hirnfressenden Besserwisser
Bald in einem Krankenhaus in Ihrer Nähe? – Glosse
Erschreckende Eruption der Egos und Emotionen
Meinungen mit Fäusten vertreten, nicht mit Argumenten
Das „Expanded Universe“ der Sinneswahrnehmung – Glosse
Mehr Freude dank mehr Sinnen
Unbequeme Stellung
Trost vom Tod
Traumhaft
Innenansichten einer Wohnung
Aus der Krötenperspektive
Die Unsicherheit des Geldes
Willi H20
Wenn Tropfen sprechen könnten
Im Quietscheentchenland
Verliebt in die Bürokratie
Nachhaltige Würstchen
In der Sauna Erde geht’s heiß her
Zölibat oder Ejakulat. Die Leiden des heiligen Johannes
Die Leiden des heiligen Johannes
Vom Dritten Reich zum dritten Geschlecht
Leben im Zwiespalt: Die Leiden des 70-Jährigen Grundgesetzes
Wohlige Zerstückelung
Zurück zur Romantik: Von leidenschaftlichen EU-Mehlkörnern
Verkehr ohne Tote
Entschleunigung auf den Straßen. Vorbild Schweden
Superstars im Kreißsaal
Eine Utopie