Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
15 16 17 18 19 20 21
22 23 24 25 26 27 28

12.557 Beiträge zu
3.787 Filmen im Forum

Vernon ist unten angekommen
Foto: Luz; Despentes / Reprodukt

Gesellschaftscomic

01. August 2022

In wilden Bildwelten quer durch die Bevölkerung – Comickultur 08/22

„Für mich bedeutet eine gute Adaption, dass man den Text respektiert, ihn in einem unerwarteten Moment bricht und ihn vor allem nicht illustriert“, sagt der Zeichner Luz, der den unglaublich erfolgreichen dreibändigen Roman „Vernon Subutex“ von Virginie Despentes als Comic adaptiert. Nun liegt der erste der drei Bände auf Deutsch vor, der vom ehemaligen Plattenladenbesitzer Vernon Subutex erzählt. Früher konnte Vernon mit seinen Kumpels stundenlang über Rockmusik und Gitarrensoli fachsimpeln. Doch die Kumpels sind einer nach dem anderen gestorben, seinen Laden musste er schließlich auch dicht machen. Als auch sein letzter finanzkräftiger Kumpel im Drogenrausch stirbt, muss er die Wohnung räumen. Mit Hilfe einer Notlüge tingelt er fortan als Couch-Surfer von einem Sofa zum nächsten. Dabei lernt er die ganze Bandbreite der Gesellschaft zwischen Islamismusdebatte und Neuer Rechter kennen – und der Leser mit ihm. Luz war von 1992 bis kurz nach dem tödlichen Anschlag auf die Redaktion im Jahr 2015 Charlie Hebdo-Mitarbeiter. Das Attentat hat er nur überlebt, weil er an seinem Geburtstag verschlafen hatte. Mit seinem Comic „Katharsis“ hatte er sich aus dem Trauma gezeichnet, nun hat er wieder den Blick frei für – alles! Luz schöpft zeichnerisch wie erzählerisch aus den Vollen, um das Leben und die (französische) Gesellschaft vor uns auferstehen zu lassen und uns tief in seine Bildwelt hineinzuziehen, die die erzählerischen Möglichkeiten des Comics voll auskostet (Reprodukt).

Matthias Gnehm hat eigentlich Architektur studiert, aber auch schon etliche Comics gemacht, darunter sechs umfangreichere Graphic Novels. Mitunter beschäftigt sich der Schweizer Künstler mit Themen zu Architektur oder Stadtplanung, dann aber auch zu gesellschaftlichen Fragen wie Religion, Nachhaltigkeit, Wirtschaft oder Ethik. Oft tauchen Elemente des Thrillers in seinen Geschichten auf. In seinem neuesten Werk, der hoch- aber kleinformatig in Kalenderbindung angeordneten Geschichte „Gläserne Gedanken“ um einen jungen Vater und Schriftsteller in einer Existenzkrise, erzählt Gnehm auch von Verschwörungstheorien, Ängsten und generationsübergreifenden Ansprüchen und Erwartungen. In detailreicher Schwarzweißmalerei umgesetzt, entfaltet Gnehm einen starken Spannungsbogen (Edition Moderne).

Christian Meyer-Pröpstl

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Civil War

Lesen Sie dazu auch:

Grenzen überwinden
„Frieda, Nikki und die Grenzkuh“ von Uticha Marmon – Vorlesung 04/24

Für Kinder und Junggebliebene
Gratis Kids Comic Tag 2024

„Ruhrgebietsstory, die nicht von Zechen handelt“
Lisa Roy über ihren Debütroman und das soziale Gefälle in der Region – Über Tage 04/24

Erwachsen werden
„Paare: Eine Liebesgeschichte“ von Maggie Millner – Textwelten 04/24

Female (Comic-)Future
Comics mit widerspenstigen Frauenfiguren – ComicKultur 04/24

„Ich komme mir vor wie Kassandra“
Jaana Redflower über ihren Roman „Katharina?“ und das neue Album der Gamma Rats – Interview 04/24

Von Minenfeldern in die Ruhrwiesen
Anja Liedtke wendet sich dem Nature Writing zu – Literaturporträt 04/24

Wortspielspaß und Sprachsensibilität
Rebecca Guggers und Simon Röthlisbergers „Der Wortschatz“ – Vorlesung 03/24

Lebensfreunde wiederfinden
„Ich mach dich froh!“ von Corrinne Averiss und Isabelle Follath – Vorlesung 03/24

Das alles ist uns ganz nah
„Spur und Abweg“ von Kurt Tallert – Textwelten 03/24

Spurensuche
Comics zwischen Wirklichkeit, Fantasie und Spektakel – ComicKultur 03/24

Wut ist gut
„Warum ich Feministin bin“ von Chimamanda Ngozi Adichie – Vorlesung 03/24

Literatur.

Hier erscheint die Aufforderung!