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Geht auf Entdeckungsreise: Dominik Lenze
Foto: Privat

Adventszeit der Filmgeschichte

24. November 2016

Ein Monat, der zu filmhistorischen Expeditionen einlädt – Vorspann 12/16

Die großen Film-Festivals sind vorbei, das Jahr sowieso auch und auf der Leinwand ist wieder Platz für große Kino-Mythen und seichte Unterhaltung. Mit „Cinema of Attraction“ wie dem neuen Star Wars-Film „Rogue One“ und außerdem den austauschbar bleibenden Weihnachtskomödien kehrt das Kino einmal im Jahr gewissermaßen an seinen historischen Ursprungsort zurück, den Jahrmarkt. Kino als Kirmes, Film als Spektakel – warum auch nicht? Und da Disney schon angekündigt hat, bis über das Lebensende der ersten Star Wars-Fans hinaus Sternenkriege zu inszenieren, wird das Ritual wohl noch einige Zeit überstehen. Und wenn Star Wars doch mal vorbei ist, legt Peter Jackson sicher mit dem „Silmarillion“ nach, aus der Mythenwelt des Herr-der-Ringe-Autors Tolkien – aufmerksame Freaks haben das Werk ja schon auf einem YouTube-Video des Regisseurs auf dessen Schreibtisch ausgemacht.

Als Kampf zwischen den ewigen Mächten von Gut und Böse soll uns auch der aktuell wieder wach gewordene Ost-West-Konflikt verkauft werden. Auf stumm geschaltete kulturelle Frames aus Zeiten eines geteilten Europas wurden ja schon letztes Jahr wieder cineastisch aktualisiert, als Spione und „Helden“ des Kalten Krieges wieder auf die Leinwand schlafwandelten. Man muss kein Putin-Fan sein, um da skeptisch zu werden. Immerhin bieten solche wirren Zeiten einen guten Anlass, sich mit unserem östlichen Nachbarn und seiner reichhaltigen Kulturgeschichte auseinanderzusetzen – gerade als Filmliebhaber. Die Lichtburg Essen widmet die letzten Novembertage dem weiten Osten, mit dem „XIII. russischen Kulturfestival“.

Regisseure wie Dsiga Wertow („Der Mann mit der Kamera“) oder Sergej Eisenstein („Panzerkreuzer Potemkin“) haben schließlich Maßstäbe für die damals noch junge Kunstform gesetzt. Eisenstein nutzte sein Talent auch für die visuelle Umsetzung „kommunistischer“ Propaganda – sein späteres Zarenporträt „Iwan der Schreckliche“ war dem sowjetischen Machthaber Stalin dann doch zu brutal. Der Dreiteiler wurde im Jahr 2014 aufwendig restauriert (soweit wie möglich) – die Lichtburg ist das erste Kino, das den geretteten Klassiker in Deutschland zeigt.

Eine weitere Möglichkeit zu filmhistorischen Entdeckungsreisen gibt es im Endstation Kino in Bochum-Langendreer: Nachdem das Blicke-Festival erfolgreich über die Leinwand lief, bietet es nun der Ausstellung „35mm KinoKultur“ des LWL-Medienzentrums Westfalen eine Heimstatt. Neben einem Kurzfilmprogramm am Eröffnungsabend (1.12.) zeigt die Ausstellung eine Fotodokumentation von Stephan Sagurna, der die filmhistorische Bruchstelle zwischen analoger und digitaler Technik per Kamera festhielt. Die Ausstellung läuft bis Monatsende. Zu sehen sind Schätze der analogen Ära, auch aus dem Revier, aus einer Zeit, in der Regisseure ihre Werke noch im Koffer in die Kinos brachten – und falls auf der Reise etwas zu Bruch ging, den Streifen kurz vor Vorstellungsbeginn noch eigenhändig rasch zusammenflickten. So lautet zumindest eine Anekdote aus dem SweetSixteen Dortmund, eines der wenigen Kinos, die sich aus Überzeugung nicht von ihren alten Projektoren trennen. Und, weil das kleine, ehrenamtlich geführte Kino im Depot alte 16mm-Streifen archiviert und sie regelmäßig und per Zufallsauswahl dem Publikum zeigt. – Diesen Monat können Hobby-Filmhistoriker das bewegte Bild also bis an seine Ursprünge verfolgen. Auch bis zum Jahrmarkt – aber nicht nur.

Dominik Lenze

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