Die Rote Liste der Weltnaturschutzunion wird immer länger, der WWF spricht vom „größten Artensterben seit dem Ende der Dinosaurier-Zeit“: Bis zu eine Million Arten könnten in den nächsten Jahrzehnten aussterben. Hauptverursacher für den Biodiversitätsverlust ist in Deutschland die intensive Landwirtschaft, deren Monokulturen Wildblumen und damit Insekten verdrängen. So sind hierzulande fast 40 Prozent der 8650 Wildpflanzen gefährdet, dieInsektenmasse ging in den letzten neun Jahren um 41 Prozent zurück. Und längst ist vom großen Vogelsterben die Rede. Ungenutzte Areale, auf denen sich die Natur frei entfalten könnte, gibt es kaum noch: Was nicht landwirtschaftlich genutzt wird, wird in Bauland oder Verkehrsflächen umgewandelt – täglich eine Fläche groß wie Frankfurt am Main.
Der artenreichste Lebensraum ist der Wald. Mitteleuropäische Buchenwälder sind Heimat für 4300 Pflanzen- und Pilz- sowie 6700 Tierarten. Mit einem Drittel bewaldeter Fläche gehört Deutschland zu den waldreichsten Ländern Europas. Jedoch: 97 Prozent sind Nutzwald, ein Viertel naturferne Nadelforste, die kaum Vielfalt zulassen und außerdembesonders anfällig für Klimaschäden sind. Bei einer Fahrt durchs Mittelgebirge wird sichtbar: Immer wieder finden sich vertrocknete oder bereits geräumte Areale.„Die Dürre-Sommer 2018 und 2019 haben gezeigt, wie anfällig unsere Wirtschaftswälder gegenüber sich ändernden Umweltbedingungen sind“, so NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger.
Zwar wurde schon in den 90er Jahren mit dem Waldumbau hin zu heimischen Buchenwäldern begonnen. Doch selbst die haben mit Dürrestress zu kämpfen. Naturschutzorganisationen wie der NABU fordern daher naturnahe Waldnutzung.Denn neben einer größeren Artenvielfalt haben wilde Wälder ein höheres Potential, mit dem Klimawandel fertig zu werden. Vor allem Totholz bietet Insekten, Pilzen und seltenen Vögeln Lebensraum. Außerdem kann es besonders viel Wasser und Kohlenstoff speichern. Der bei seiner Zersetzung entstehende Humus erhöht wiederum die Wasserspeicherkapazität des Bodens.Das 2007 selbstgesteckte Ziel der Bundesregierung,bis 2020 zumindestfünf Prozent des deutschen Waldes in Naturwald umzuwandeln, wurde aber verfehlt.
Trend Waldgarten
So muss jeder Einzelne aktiv werden und vor allem umdenken. Der deutsche Ordnungssinn auch im eigenen Garten ist kontraproduktiv. „Haben Sie Mut zur Wildnis! Lassen Sie die Brennnesseln einfach stehen, pflanzen Sie einheimische Beerensträucher“, rät Hans-Joachim Fünfstock vom Landesbund für Vogelschutz. Auch Peter Berthold, ehemaliger Direktor des Max-Planck-Instituts für Ornithologie, plädiert für einen „g'schlamperten“ Garten. Denn: Mit einer Fläche so groß wie alle Naturschutzgebiete könnten wilde Hausgärten ein Viertel der gefährdeten Vogelarten retten.
Hoffnung macht auch der neue Trend Wald Gardening.„Ein Waldgarten besteht vorwiegend aus essbaren Pflanzen, die sich in mehreren Vegetationsschichten überlappen, ähnlich der Struktur von Wäldern“, erklärt Initiatorin Jennifer Schulz das vom Bundesamt für Naturschutz geförderte Projekt, das vor allem in Berlin-Britz schon konkrete Formen angenommen hat. Die Vorteile: Urbane Waldgärten können das Klima in Großstädten verbessern, für mehr Biodiversität sorgen und Flächen vor weiterer Bebauung schützen. Und es gibt noch mehr Ideen:So wird in Berlin-Charlottenburg ein ehemaliger Friedhof zum Gärtnern genutzt, in Bremen wurde ein ungenutzter Platz entsiegelt und in eine Grünfläche verwandelt. Vielleicht sind wir ja doch noch zu retten.
Aktiv im Thema
www.nabu.de | Der Naturschutzbund Deutschland ist eine der ältesten Organisationen dieser Art.
naturschutz.ruhr | Die Naturschützer aus Mülheim führen an die Naturvielfalt an der Ruhr heran.
www.stiftung-pro-artenvielfalt.org | Die Stiftung aus Bielefeld widmet sich dem Schutz bedrohter Wildtierarten.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Systemstörungen gegen das Artensterben
Extinction Rebellion gegen Klima-Kollaps und Wachstumswahnsinn
Die Retter des Grüngürtels
Bürgerinitiative „Grüngürtel für alle“ gegen die Baupläne des 1. FC Köln
Es muss Wahlkampfthema werden
„Osterholz Bleibt“ will Abholzung verhindern
„Die Zeit reicht für Anpassung nicht aus“
Umweltforscher über Klimawandel und Artensterben
„Kreative Reduktion als Gestaltungsprinzip“
Ökonom Niko Paech über die Abkehr vom Wachstumsgedanken
„Mit offenen Augen durch den Wald gehen“
Forstwissenschaftler über Wälder und Klimawandel
Von Bäumen und Bräuten
Der moralische Wankelmut der Menschen – Glosse
Der Kampf um das neue Öl
Lithium entwickelt sich zum wichtigsten Rohstoff der Zukunft – mit verheerenden Folgen
Ein Hauch von Chile ’73
Kapital und Demokratie – zwei Seiten einer Medaille? Wohl eher nicht!
Fair handeln
Moralische Verantwortung in Handelsketten
Doppelt unsichtbar
Strukturelle Gewalt gegen Frauen muss endlich beim Namen genannt werden
Was Frauen wirklich schützt
Politische Programme gegen männliche Gewalt sind zu wenig
Weil sie Frauen sind!
Femizid als Straftatbestand – laut Bundesregierung eine unnötige Differenzierung
Auf Tilidin in die Charts
Ist der Hip-Hop schuld am wachsenden Medikamentenmissbrauch?
Ibuprofen wie Smarties
Fatale Folgen bei unreflektiertem Umgang mit Schmerzmitteln
Heillos
Schulmedizin oder Alternativmedizin? Warum nicht einfach „und“ statt „oder“?
Bienenretten war gestern
Bayerns Artenvielfalt-Gesetz: innovativ oder schlüpfrig?
Kapitalismus-Greenwashing
Der Markt hat‘s kaputt gemacht, der Markt soll’s richten
Angst essen Ratio auf
Wie mit Verschwörungsgläubigen umgehen?
Wider alle politischen An- und Abstandsregeln
Hygienedemos: Berechtigt oder dumm?
Ökologisch ausersehen
Die alternativen Wahrheiten der Bio-Szene
Deutsche und Autos – glückliche Scheidung
Das Konjunkturpaket der Bundesregierung sieht keine Kaufprämien für Verbrennungsmotoren vor
Wer soll das zahlen?
Für eine solidarische Verteilung der Corona-Kosten
Was für Systemrelevante relevant ist
Von der Ökonomie zum Patientenwohl: Corona als Chance?
Kranke sind keine Kunden
Covid-19 verdeutlicht einen 30-jährigen neoliberalen Irrweg