Eine Insel vor der Küste der Bretagne im Jahr 1770: Hier lebt eine verwitwete Gräfin in einem einsamen Schloss. Und seit neuestem wohnt hier auch wieder ihre Tochter Héloïse, die aus dem Kloster geholt wurde, nachdem ihre Schwester gestorben ist. Eigentlich sollte die Schwester mit einem angesehenen Mann aus Mailand verheiratet werden. Die Gräfin wünschte die Hochzeit, zieht es sie doch unter Menschen in den warmen Süden. Nach dem Tod der Braut in spe soll nun Héloïse verheiratet werden. Doch dafür muss zuerst ein Porträt von Héloïse angefertigt und anschließend nach Mailand geschickt werden. Héloïse will aber gar nicht heiraten, vor allem keinen Mann, den sie nicht kennt. Einen Maler hat sie bereits vergrault. Doch die Gräfin hat einen neuen Plan: Sie engagiert die Pariser Malerin Marianne, die Héloïse bei den täglichen Spaziergängen an der Küste begleiten soll, um dann abends heimlich an dem Porträt zu arbeiten. Héloïse ist Marianne gegenüber reserviert. Doch nach ein paar Tagen kommen sich die beiden Frauen näher und emanzipieren sich von den ihnen zugedachten Rollen. Céline Sciammas neuester Film „Porträt einer jungen Frau in Flammen“ und erhielt beim Filmfestival in Cannes den Preis für das beste Drehbuch. Die Entscheidung ist nachvollziehbar. Jeder Satz sitzt hier in seiner Klarheit genau an der richtigen Stelle. Das spürt man umso mehr, da gar nicht so viel gesprochen wird. Der verbale Schlagabtausch zwischen Marianne und Héloïse ist oft klug, mitunter auch von keckem Humor durchsetzt. Die Blicke, die die beiden – voller Leidenschaft von der Neuentdeckung Noémie Merlant als Marianne und der im französischen Kino zu Recht omnipräsenten Adèle Haenel gespielten Frauen – tauschen, sind ebenso vielsagend. Meist hat man das Gefühl, als würde man bewegte Gemälde im Sinne eines „Tableau vivant“ des 19. Jahrhunderts betrachten. In dieser Hinsicht erinnert der Film an Peter Webbers Vermeer-Film „Das Mädchen mit dem Perlenohrring“ aus dem Jahr 2003.
Es ist nur ein Biss in ein Stück Salami. Und doch bricht mit der Mahlzeit eine neue Epoche an, als der Schweizer Theologie Ulrich Zwingli mit seinen Mitstreitern am Tisch sitzt und ordentlich zugelangt wird. Denn eigentlich gilt Fastenzeit. Doch steht diese Ernährungsempfehlung konkret in der Bibel? Nö, denken sich die innerkirchlichen Oppositionellen und rufen mal eben das Ende dieser Diät-Doktrin aus. Um das allen Christenmenschen einzubläuen, wollen sie die heilige Schrift direkt ins Deutsche übersetzen. So reiht sich ein Tabubruch an den nächsten. Die Reformation regiert in diesem Jahr, 1519, in Zürich. Doch dass diese turbulenten Jahre auch in der Schweiz einen historischen Umbruch einleiteten, ist im großen Nachbarland bisher kaum berücksichtigt worden. Nun hat sich Regisseur Stefan Haupt dem Stoff gewidmet und das aufwendige Historienepos „Zwingli – Der Reformator“ inszeniert.
Jubel: ein deutscher Papst. Doch 2013 ist Benedikt VI. zurück getreten. Der aufwändig gedrehte Dokumentarfilm „Verteidiger des Glaubens“ weist mit Hilfe kenntnisreicher Interviewpartner nach, dass Joseph Ratzinger an seiner Rolle scheiterte, dass er viele Skandale der heiligen katholischen Kirche duldete. Dass er auch im Missbrauchsskandal nicht durchgriff. Er und seine Geschwister wachsen im Glauben auf, auch der Bruder Georg wird ordiniert (und leitet lang mit harter Hand die Regensburger Domspatzen). Gründlich und von Ulrich Tukur schön sachlich gesprochen zeigt der Film: Joseph Ratzinger ist eher Gelehrter, weniger Chef des Vatikans. Er liebt die Ordnung und die Kirche und will nicht sehen, wie groß die Schuld dieser Institution ist. Warum? Aus Glaubensgründen. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf.
Außerdem neu in den Ruhr-Kinos: Bora Dagtekins Smartphone-Showdown „Das perfekte Geheimnis“, Scott Becks und Bryan Woods' Geisterbahn-Spuk „Halloween Haunt“, André Øvredals Vogelscheuche-wird-Killer-Jagd „Scary Stories To Tell in the Dark“ und Markus Dietrichs Superheldinnen-Abenteuer „Invisible Sue - Plötzlich unsichtbar“.
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