Es herrscht Chaos im kleinen Dorf Elend: Zuerst verschwindet das neugeborene Kälbchen Elsa, dann Friedas bester Freund, und die Dorfbewohner:innen schlagen sich wegen alter Rivalitäten beinahe die Köpfe ein. Mit viel Humor und einer tieferliegenden Botschaft erzählt die deutsche Autorin Uticha Marmon in ihrem aktuellen Titel „Frieda, Nikki und die Grenzkuh“ (Carlsen Verlag) auf rund 170 Seiten von einer spannungsgeladenen Dorfdynamik, die ausgerechnet von den Allerjüngsten unter die Lupe genommen und aufgedeckt wird – für Leser:innen ab neun Jahren.
Grenzen sind manchmal ganz schön überflüssig. Und nicht nur das, sie sorgen für eine Spaltung in der Gesellschaft, trennen Menschen voneinander und lassen Fronten verhärten. So auch in Elend: Ein Lebensmittellädchen, eine einzige Kneipe, ein Haufen Hühner und noch mehr Kühe finden sich in dem ländlich gelegenen Ort mitten im Nirgendwo, der durch eine Grenze in Nord- und Süddorf unterteilt ist. Uticha Marmon zeichnet ein tristes Bild des Schauplatzes, wobei dessen Name bezeichnend für die dort herrschende Stimmung ist. Alles ist in zwei Lager aufgeteilt, Norden und Süden leben verfeindet miteinander und als Angela, eine Südkuh, genau auf der Grenze ihr Kalb zur Welt bringt, bricht ein großer Streit unter den Dorfbewohner:innen aus, der in Entführung, Schimpftiraden und Misthaufenschlacht ausartet. Protagonistin Frieda und ihr Freund Nikki starten kurzerhand eine Friedensmission, um die Gemüter zu beruhigen und das Kriegsbeil zwischen den beiden Höfen in Elend ein für alle Mal zu begraben.
Mit ihrem Roman zeigt die Kinderbuchautorin, wie Vorurteile generationenübergreifend weitergegeben werden und fortbestehen, bis jemand beschließt, sie kritisch zu hinterfragen. Das tun die Kinder in Marmons Geschichte und sie sind es auch, die die zweigeteilte Dorfgemeinschaft am Ende vereinen. Mit ihrer literarischen Neuerscheinung kreiert die Autorin eine Gruppe lustiger und eigenartiger Charaktere, die authentisch wirken und durch Maja Bohns Schwarz-Weiß-Illustrationen gelungen verbildlicht werden – wobei Farbdarstellungen die Erzählung noch lebendiger hätten wirken lassen, zumal viele verschiedene Farbtöne im Laufe des Buches Erwähnung finden. Der Erzählton ist zielgruppengerecht und überwiegend umgangssprachlich gehalten; an der ein oder anderen Stelle wirkt er ein bisschen unnatürlich und „gezwungen cool“, insgesamt trägt er aber stimmig zum humorvollen Charakter des Buches bei.
Auf den ersten Seiten des Buches werden alle „Elender“ kurz vorgestellt – natürlich in Süd- und Nordelend unterteilt. So bekommen die Leser:innen schon mal einen groben Überblick über die Figuren und können gegebenenfalls zurückblättern, was praktisch ist, da gleich zu Beginn der Geschichte mehrere Namen fallen. Besonders zeitgemäß sind auch Themen wie Nachhaltigkeit und Umweltschutz, die im gesamten Handlungsverlauf der Geschichte mitschwingen. „Frieda, Nikki und die Grenzkuh“ ist ein unterhaltsamer und thematisch relevanter Kinderroman, der zum Nachdenken anregt und hervorhebt, wie bedeutsam die Kraft der Gemeinschaft ist und wie viel mit ihr erreicht werden kann. Werte wie Zusammenhalt, Hilfsbereitschaft und Mut werden auf erzählerische Weise vermittelt.
Uticha Marmon: Frieda, Nikki und die Grenzkuh | Carlsen Verlag | ab 9 Jahren | 176 S. | 14 €
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Flauschige Comedy
Sandra Da Vina im Steinhof Duisburg
Ein Buch entsteht
Lilian Peter bei Proust in Essen
Warum streiten wir?
Svenja Flaßpöhler liest im Medienforum Essen
Ein Meister des Taktgefühls
Martin Mosebachs Roman „Die Richtige“ – Textwelten 05/25
Perspektiven der Generationen
Anna Melikova in der Zentralbibliothek Düsseldorf
Unglückliche Ehen
„Coast Road“ von Alan Murrin – Literatur 04/25
Die Kunst der zärtlichen Geste
„Edith“ von Catharina Valckx – Vorlesung 04/25
Über Weltschmerz sprechen
„Alles, was wir tragen können“ von Helen Docherty – Vorlesung 04/25
Ein wunderbarer Sound
Natalia Ginzburgs Roman „Alle unsere Gestern“ – Textwelten 04/25
„Die großen Stiftungen scheinen es nicht zu kapieren“
Gerd Herholz über sein Buch „Gespenster GmbH. Interventionen aus dem Ruhrgebiet“ – Interview 04/25
Verlustschmerz verstehen
„Als der Wald erwachte“ von Emma Karinsdotter und Martin Widmark – Vorlesung 03/25
Cool – cooler – Aal
„Egal, sagt Aal“ von Julia Regett – Vorlesung 03/25
Die Unschärfe der Jugend
Diskussion über junge Literatur im Essener KWI – Literatur 04/25
Erinnerungskultur
Gegen Vergessen und für Empathie – ComicKultur 04/25
Aus dem belagerten Sarajevo
„Nachtgäste“ von Nenad Veličković – Literatur 03/25
Der legendäre Anruf
Ismail Kadares Recherche über Stalin und Boris Pasternak – Textwelten 03/25
Die Geschichte der Frau
Ein Schwung neuer feministischer Comics – ComicKultur 03/25