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Jan Weiler
Foto: Thomas Leidig

Das fliegende Lesezimmer

28. März 2022

Jan Weiler und Anne Gesthuysen stellen ihre neuen Romane vor – Literaturporträt 04/22

Ein Literaturhaus Ruhrgebiet – über Jahrzehnte war das der Wunsch vieler Literaturfreunde im Revier. Ein Haus mit überregionaler Strahlkraft, mit Residenzstipendien und breit gefächertem, international aufgestelltem Programm.

Noch zum Kulturhauptstadtjahr 2010 stand solch ein Haus auf der Agenda. Mittlerweile gibt es Literaturhäuser in Dortmund, Herne oder Oberhausen, alle mit durchaus engagiertem Programm, mal abhängig von einer Handvoll ehrenamtlicher Enthusiasten mal kommerziell ausgerichtet als zweites Standbein einer Buchhandlung. Was sie dennoch eint: Ihr Publikum generieren sie vorrangig vor Ort.Jedoch statt weiter auf ein zentrales Haus für die Literatur hinzuarbeiten, gründete sich 2018 zunächst das „Netzwerk Literaturgebiet Ruhr“ in Trägerschaft des Literaturbüros Ruhr. Die Vernetzung für Werbezwecke und Öffentlichkeitsarbeit sowie ein gemeinsamer Internetauftritt sind erste Erfolge, der revierüberspannende Aktionstag „Literatour 100“ 2021 ein weiterer. Ein neuer Schritt ist nun die gemeinsame Koordination von Lesetouren. Statt einer singulären großen Veranstaltung kommen so kurze Touren zustande, die große Namen auch auf vergleichsweise kleine Bühnen bringen. Nun stehen Lesereisen von Jan Weiler und Anne Gesthuysen auf dem Plan.

Erfolglosester Vertreter der Welt

Jan Weiler, der mit „Maria, ihm schmeckt’s nicht!“ seinen ersten Bestseller landete und dessen „Pubertier“-Kolumnen und -bücher in der Regel für gut gefüllte Stadttheater-Säle sorgen, gastiert im Bochumer Prinz-Regent-Theater sowie in den Stadtbibliotheken Witten und Essen. Sein neuer Roman „Der Markisenmann“ führt ins Ruhrgebiet, genauer gesagt ins Duisburg des Jahres 2005. Die fünfzehnjährige Kim hat ihren dort lebenden Vater noch nie gesehen, wird aber von ihrer Mutter über die Sommerferien zu ihm abgeschoben. Der in Düsseldorf geborene und schon lange in München lebende Journalist und Autor hat mehr Verbindungen zum Ruhrgebiet, als man möglicherweise ahnte: „Ich bin genau gesagt in Meerbusch aufgewachsen, also direkt links neben Duisburg. Natürlich war ich seit meiner Kindheit viel dort und auch in anderen Städten im Ruhrgebiet. Ganz früher zum Ausgehen, später dann auf meinen Lesereisen. Ich fand die Gegend immer schon faszinierend und vielseitig.“ Dies sei aber nicht der Grund dafür, dass der Roman in Duisburg und anderen Orten im Ruhrgebiet spiele. „Er spielt dort, weil Ronald Papen glaubt, im Revier seine alten Markisen besonders gut verkaufen zu können. Immerhin leben dort über fünf Millionen Menschen. Leider erweist sich diese Annahme als fataler Trugschluss.“ Als Kim auf den wohl erfolglosesten Vertreter der Welt trifft, entspinnt sich eine wunderbare Vater-Tochter-Story.

Ältern vs. Markisenmann

Ein Roman, der in Duisburg spielt und eine Lesereise durch Bochum, Witten und Essen – was auf den ersten Blick merkwürdig klingt, ist einem unglücklichen Zufall geschuldet: Denn erst im Februar war Weiler mit seinem Buch „Die Ältern“ in Duisburg zu Gast – und da schien ein weiterer Auftritt innerhalb kürzester Zeit wenig sinnvoll. Bestimmt wird der Markisenmann irgendwann auch noch nach Duisburg kommen: „Wir arbeiten an weiteren Terminen.“ Jetzt, wo das „Pubertier“ aus dem Haus ist und die „Ältern“ sich in neue Rollen einfinden müssen, plagt Weiler da möglicherweise die Sorge, dass die hausinterne Inspirationsquelle versiegt? Oder freut er sich auf ein viel freieres Erzählen?Weiler lässt sich für die Zukunft alle Türen offen: „Lebbe geht weider, wie der berühmte hessische Philosoph Dragoslav Stepanovic einmal sagte. Die Kolumne läuft daher auch mit erwachsenen Kindern weiter. Und wer weiß: Vielleicht haben die ja auch mal welche. Der Stoff geht nie aus, auch nicht für die Romane, Hörspiele und Filme, die jetzt als nächstes anstehen.“

Rand des Literaturgebiets Ruhr

Anne Gesthuysen hingegen, deren Tour sich im Mai anschließt, führt mit ihrem neuen Roman an den Rand des Literaturgebiets Ruhr, an den Niederrhein. „Wir sind schließlich wer“ erzählt die Geschichte einer jungen Pastorin in Alpen (dem Geburtsort der Autorin), die als geschiedene Mittdreißigerin den erkrankten Dorfpastor vertreten soll und auf reichlich Widerstand trifft. Die Fernsehjournalistin und Moderatorin im Team der „Aktuellen Stunde“ stellt ihren neuesten Roman Anfang Mai in Hattingen, Moers und Gladbeck vor. „Eigentlich waren fünf Termine im Februar geplant“, verrät Antje Deistler vom Literaturbüro Ruhr, „aber dann kamen die Omikron-Spitzenwerte“. Man darf schon jetzt gespannt sein, was das Literaturgebiet Ruhr auf die Beine stellt, wenn sich die Zeiten hoffentlich wieder normalisieren.

Jan Weiler: Der Markisenmann | 6., 7., 8.4. | Anne Gesthuysen: Wir sind schließlich wer | 3., 4. ,6.5. | div. Orte | www.literaturgebiet.ruhr

Frank Schorneck

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