Mexikanische Verhältnisse in Deutschland? Werden die Menschen hier bald zu Allerseelen zu den Klängen von Volksmusikkapellen an den Gräbern ihrer Lieben picknicken und einander Zuckergusstotenköpfe schenken, beschriftet mit den Namen der Beschenkten? In der Gewissheit, dass an diesem Tag die Verstorbenen zu Besuch kommen? Nein, eine Verquickung von aztekischer und katholischer Tradition ist hierzulande nicht zu erwarten. Schade, vielleicht. Aber unser Verhältnis zum Sterben und zum Tod wandelt sich ohnehin.
Eine deutliche Mehrheit der Menschen in Deutschland spricht sich für die Sterbehilfe aus. Ein Wunsch, dem die Gesetzgebung offenbar nicht einfach entspricht. Es sind allerdings sehr unterschiedliche Arten der Sterbehilfe zu unterscheiden. Indirekte Sterbehilfe riskiert durch die Gabe starker Schmerzmittel den vorzeitigen Tod eines Patienten, soll grundsätzlich aber in der letzten Sterbephase Schmerzen lindern. Passive Sterbehilfe verzichtet darauf, ein Leben künstlich zu verlängern. Beihilfe zum Suizid wird als unterlassene Hilfeleistung strafrechtlich verfolgt. Aktive Sterbehilfe ist strafbar, ungeachtet eines möglichen ausdrücklichen Wunsches des Patienten nach aktiver Sterbehilfe. Umstritten bleibt, was unter strengen Auflagen zu erlauben sei, was strafbewehrt zu verbieten.
Hospize sind Unorte. Es scheint sie gar nicht zu geben. Ein paar Euro in die Spendendose ringen sich manche noch ab, doch wer setzt sich ohne drängenden Anlass mit den Orten des begleiteten
Sterbens auseinander, besucht sie sogar? Anders als Krankenhäuser möchten Hospize ein Sterben in respektvoller Umgebung ermöglichen, fern vom Stationsstress, aber auch mit medizinischen Mitteln, das Leiden zu lindern und die Hilfe dem Menschen so anzupassen, wie es Zuhause niemals möglich wäre. Können Hospize dieser Aufgabe überhaupt gerecht werden, angesichts von Finanzierungsnöten und Gewinnerwartungen auch im medizinischen Bereich?
Die letzten Worte zum Abschied, gesprochen von einem Geistlichen, der womöglich kaum weiß, von welchem Menschen seine Worte handeln. Die immergleichen Rituale und Orte, die Halt geben können, aber keineswegs zur individuellen Trauer passen müssen, ihr auch zuwiderlaufen können. Der Unwille wächst, den Verbleib des eigenen Körpers und den Abschied vom Toten von der Tradition vorgeben zu lassen, alternative Bestattungen erfahren vermehrte Nachfrage. Sind das längst überfällige Wege, den Tod zu einem selbstverständlichen Teil unseres Lebens zu machen? Oder liegt in der Tradition auch eine wertvolle Mahnung zur Bescheidenheit, ein Korrektiv gegenüber dem Kult um unsere Egos?
Allerhand Fragen, vor denen wir uns drücken oder mit denen wir uns rechtzeitig auseinandersetzen können – und die jeder einzelne Mensch auch bewusst unbeantwortet lassen darf. Im Monatsthema SCHÖNER STERBEN gehen wir ihnen nach.
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