„Wer kauft ein Theater?“ Das ist die Grundfrage, die sich Heinz Simon Keller stellt. Der Intendant des 1955 gegründeten Theater der Keller in Köln schwankt derzeit zwischen Wut, Wehmut und Galgenhumor und hat zur Eröffnung der kommenden Spielzeit Tschechows „Kirschgarten“ angesetzt, in dem am Ende Verwertungslogik über Nostalgie triumphiert. Die kommende Spielzeit wird nämlich die letzte des Theaters der Keller im Stammhaus in der Kleingedankstraße sein. Der Bau soll ab Sommer 2019 in ein Wohnhaus umgewandelt werden.
Bisher hat das Theater noch keinen adäquaten Ersatz gefunden und wird in ein Interim ziehen müssen. „Es ist zu 100 Prozent sicher, dass wir weiterspielen werden“, gibt sich der Vorsitzende des Trägervereins Ulrich Wackerhagen kämpferisch. Denn die Zuschüsse des Landes NRW (92.000 Euro) und der Stadt Köln (200.000 Euro) sind an eine feste Spielstätte gebunden. Ohne sie würde das Theater seine finanzielle Existenzgrundlage verlieren. Wo dieses Interim allerdings liegen wird, ist derzeit unklar. Zwei Modelle stehen im Raum.
Mit einem Mietvertrag bereits abgesichert ist die Bespielung des Alten Pfandhauses, das bestätigte Ulrich Wackerhagen. Die Räume werden derzeit sporadisch als Konzertraum genutzt, sind allerdings nur bedingt als Theaterspielort geeignet. Bei der Pressekonferenz im Theater der Keller drängte sich der Eindruck auf, dass der Vorsitzende des Trägervereins nichtsdestotrotz diese Lösung bevorzugt. Intendant Heinz Simon Keller dagegen plädiert für eine Alternative. Gemeinsam mit dem Architekten Christian Schaller hat er „eine Vision geboren“: Eine rote hölzerne Theaterbox mitten auf dem zentralen Ebertplatz. Die in Holztafelbauweise errichtete Box verfügt bei 23m Länge und 14m Breite über eine Gesamtfläche von 450 m², auf der Bühne, Zuschauerraum, Garderoben und ein Foyer untergebracht wären. 120 Besucher fänden darin Platz. Die Box soll auf Stelzen stehen, zwischen denen auch noch Freilufttheater möglich wäre. Architekt Christian Schaller sprach von einer „gestrandeten Arche“, die dem Theater das Überleben sichern soll.
Intendant Heinz Simon Keller sieht darin sogar mehr als ein kulturelles, nämlich ein soziales und politisches Projekt. In erster Linie dürfte es allerdings ein städtebauliches sein. Denn die Stadt sucht seit Jahren nach einer Lösung für den im Stil der 1970er Jahren gestalteten Ebertplatz, der von Verwahrlosung und Drogenkriminalität geprägt ist und über dessen Neugestaltung die Stadt seit Jahren ergebnislos berät. Derzeit wird über Zwischennutzungskonzepte nachgedacht, in die sich die rote Theaterbox durchaus einfügen würde. Das Problem sind die Kosten von 800.000 Euro und die Bauzeit von sechs Monaten. Die Zeit ist knapp und Geld hat das Theater nicht. Ob die Stadt eine solche Summe für ein Interim hinblättert, dürfte zweifelhaft sein. Von den langen Planungszeiträumen städtischer Verwaltung ganz zu schweigen. Die Vision ist das Vorrecht der Kunst, der realistische Kompromiss das Vorrecht von Politik und Verwaltung.
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