In ihrem Büro bei der IFAK e.V. berichten Patrik Ritter und Alexis Rodriguez über das Projekt „Bochum. Stadt der Vielen: Senior:innen erzählen vom Einwandern“, das im letzten Jahr ins Leben gerufen wurde. Es lädt ältere Menschen mit Migrationserfahrung dazu ein, sich auszutauschen über ihre Erfahrungen in Bochum und gemeinsam mitzuschreiben an der Geschichte dieser Stadt. Ganz unterschiedliche Erfahrungen werden erkundet: ob sie als „Gastarbeiter:innen“, als Asylsuchende, als Studierende und Lehrende kamen, wegen der Liebe oder aus beruflichen Gründen. Einige gingen wieder oder mussten gehen, andere blieben dauerhaft in Bochum.
Kreative Erinnerungsarbeit
Beide Hauptakteure können mit diesem Projekt an vorherige Arbeiten anknüpfen, bei denen sie Lebensgeschichten gesammelt haben. Nun unterstützt sie ein junges Team: Menschen mit den unterschiedlichsten Fähigkeiten im Kunst- und Kulturbereich, mit eigenen Erfahrungen, denn beim Kontakt mit den teilnehmenden Senior:innen geht es vor allem um eins: um den gemeinsamen Austausch. Dabei soll es nicht um das bloße Abarbeiten von Migrationserfahrungen gehen, sondern darum, zu fragen: Was ist dem Gegenüber wichtig?
Gemeinsam mit der Theatertherapeut:in Judith Baumgärtner findet dazu ein Schreibworkshop im Kunstmuseum Bochum statt: gerichtet an die zweite und dritte Generation Eingewanderter, sowie an Bekannte und Verwandte der Senior:innen. Durch kreative Schreibübungen wird ein intergenerationelles Erinnern angeregt, von den Teilnehmenden wird selbst entschieden: was ist wichtig, was sind persönliche Wendepunkte in der Familiengeschichte? Dabei werden auch neue Erfahrungen gemacht: es kann sehr ermutigend sein, sich mit Menschen auszutauschen, die trotz jeweils individueller Erfahrung die Möglichkeit bieten, sich zu dem gemeinsamen Thema der eigenen Geschichte auseinanderzusetzen. Auch Menschen ohne eigene Migrationsgeschichte, dafür aber mit langjährigen Beziehungen zu Einwander:innen haben teilgenommen, der Workshop ermöglichte es ihnen, die Gewohnheit abzulegen und ganz neue Fragestellungen aneinander zu entwickeln. Im Zuge des Workshops, dessen letzter Termin Mitte Juli ist, entsteht auch etwas „zum Anfassen“: die Teilnehmenden entwerfen Erinnerungshefte mit selbstverfassten Texten und Fotos der Familie.
Kleine und große Zuwanderungsgeschichte
Die Projekte, die Stadt der Vielen begleitet, haben eines gemeinsam: in der Gruppe wird gemeinsam der Erinnerungsprozess aktiviert, indem man miteinander ins Gespräch kommt, durch Singen und Musizieren, durch Sprach- und Erzählcafés, durch den gemeinsamen Besuch von Museen, Kinos und Theaterstücken. „Wir sammeln die kleinen und großen Dinge der Zuwanderungsgeschichte Bochums“, sagt Patrick Ritter. Das können Objekte sein, die die „Zeitzeug:innen“ mit ihrer Erinnerung verbinden, aber auch Orte, die wichtig waren und sind, oder Orte, die durch das gemeinsame Erzählen wiederbelebt werden. Um diese Erinnerungsorte zu verbinden und in der Stadtgeschichte sichtbar zu machen, hat das Projekt nun auch eine neue Website: auf stadtdervielen.de ist eine Stadtkarte mit den Orten des Ankommens, des Austausches und des Miteinanderlebens zu entdecken. Nach und nach sollen dort alle Orte, die Teil des Projektes und der Gemeinschaft in Bochum sind, eingetragen werden.
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