Das Kernthema der letzten Wochen war zweifellos die Energiepolitik.
Was Fernost geschah, soll zukünftig gar nicht erst denkbar sein. Der Umstieg von Atom auf Öko muss der letzte Ausstieg für die Bundesrepublik werden!
Alle wollen raus aus der Atomkraft. Die Grünen, die Ökogruppen und die Umweltverbände schon immer, eigentlich auch schon immer die SPD und seit den Katastrophen von Fukushima, Stuttgart und Mainz auch große Teile der CDU und der FDP. So verkündete Angela Merkel ein dreimonatiges Moratorium. In jener Zeit stehen die sieben ältesten Atomkraftwerke still und gleich mehrere Kommissionen sollen die Zukunft unserer Energieversorgung klären. Die Opposition im Bundestag wittert ein taktisches Manöver und protestiert gegen die Umgehung des Parlaments. Tatsächlich könnte nur ein vom Bundestag verabschiedetes Ausstieg-aus-dem-Ausstieg-aus dem Ausstieg-Gesetz juristische Klarheit schaffen. So betroffen sind die Regierungsparteien in Berlin allerdings nicht, dass sie binnen eines halben Jahres eine ihrer zentralen Gesetzesinitiativen zu Makulatur erklären.
Seit den Katastrophen von Fukushima, Stuttgart und Mainz sind auch große Teile der CDU und der FDP für den Atomausstieg
Den Menschen im Lande, die den Ausstieg aus der Atomkraft wollen, und das sind laut aktuellen Umfragen etwa 90 Prozent der Bevölkerung, bleiben natürlich noch andere Handlungsalternativen als das geduldige Abwarten. In wenigen Minuten kann der Verbraucher seinen Stromtarif oder gar seinen Stromanbieter wechseln. Aber dabei ist Vorsicht geboten. Nicht jeder Ökostrom ist wirklich Öko. Der Begriff an sich ist nicht geschützt. So kann ein Mix aus Atom- und Kohlestrom als Naturstrom verkauft werden. In manchen Fällen zahlt der Anbieter solcher Mogelpackungen eine geringe Abgabe in einen Fond und schon ist seine Weste weiß und sein Strom grün. Die Verbraucherzentrale NRW hat deshalb einen Kostenrechner ins Internet gestellt, aus dem nicht nur der Jahrespreis zu ersehen ist, sondern in dem auch die verschiedenen Ökostrom-Siegel berücksichtigt werden. Das Ergebnis der Recherche ist verblüffend: In jeder Gemeinde in NRW gibt es zumindest einen Ökostromtarif mit nachgewiesenem Umweltnutzen, der preiswerter ist als das Standardangebot des örtlichen Versorgers. Je nach Gemeinde beträgt dieser Preisunterschied bis zu 159 Euro pro Jahr. Nur Stromdiscounter, die ihre Produkte aus ganz Europa beziehen und deren Angebote seit der Liberalisierung des Strommarktes boomen, verkaufen ihren Strom deutlich billiger. Der kommt dann aber oft mit bis zu 50 Prozent aus Atomkraftwerken.
Man muss nicht zwingend ein eigenes Dach über dem Kopf haben, um selbst Ökostromer zu werden
Ähnlich wie die Anbieter, die ausschließlich regenerativen Strom liefern, registrieren die Stadtwerke im Ruhrgebiet einen rapide gestiegenen Anstieg der Nachfrage nach Ökostrom. Ob bei der Dortmunder DEW21, der EVO-Energie aus Oberhausen, der DVV aus Duisburg oder den Stadtwerken Bochum – überall wollen die Kunden weg vom Atomstrom und buchen massenweise in diesen Tagen Strom aus regenerativen Quellen. Dies ist auch unproblematisch, alle Stadtwerke bieten auch regenerativen Strom aus Wasserkraft an. Allerdings wäre eine bloße Umorientierung bezüglich der Energiequelle ein fatales Signal. Regenerative Energie würde sich in Folge der gestiegenen Nachfrage verteuern, Atomkraft wegen sinkender Nachfrage billiger werden. Nutznießer jener Entwicklung wären industrielle Großverbraucher, die sich um nachhaltige Aspekte wenig scheren. Wer also tatsächlich mit seinem Konsumverhalten zu einer Energiewende beitragen will, sollte einen Anbieter wählen, der keine Atomkraftwerke betreibt und nur noch in den Ausbau regenerativer Energiegewinnung und in Blockheizkraftwerke investiert. Am sichersten ist hier der Wechsel zu einem hundertprozentigen Ökostrom-Anbieter. Aber auch viele regionale Versorger sind inzwischen sehr engagiert. So prüft die Stadtwerke Duisburg AG derzeit die Erweiterung eines eigenen Heizkraftwerks mit Kraft-Wärme-Kopplung in Duisburg-Wanheim. „Durch eine Verringerung der Stromerzeugung aus Atomkraft in Deutschland werden entsprechende Projekte nun auch für uns wieder wirtschaftlich interessanter“, begründet Johannes Gösling, Vertriebsvorstand der DVV diese aktuelle Entscheidung. Die Bochumer Stadtwerke bieten zusammen mit der örtlichen Sparkasse den „Bochumer Klimabrief“ an. Hierbei können Kleinanleger Projekte fördern, die erneuerbare Energien regional nutzen. Man muss also nicht zwingend ein eigenes Dach über dem Kopf haben, um selbst Ökostromer zu werden. Der Spargroschen reicht. Und es gibt einen weiteren Vorteil, einen regionalen Stromversorger zu wählen. Dieser ist näher am Kunden und kann mit kleinen Blockheizkraftwerken die dringend benötigte dezentrale Infrastruktur schaffen.
Wer allerdings nicht nur als Konsument, sondern auch als Staatsbürger den Ausstieg aus der Atomenergie forcieren möchte, der kann sich an verschiedenen weiteren Protestaktionen beteiligen. Am Pfingstwochenende sollen alle Atommeiler mit Sitzblockaden stillgelegt werden, falls die Bundesregierung bis dahin nicht selbst tätig geworden ist.
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