Die Abteilung der Kunstvermittlung im Lehmbruck Museum überrascht immer wieder mit veritablen Ausstellungen, die weit über den pädagogischen Auftrag hinausgehen. Wichtigster Bezugspunkt sind die Skulpturen aus der Museumssammlung. In der Verschiedenheit der Materialien, Ausdehnungen und Oberflächen sensibilisieren sie für das Erleben von Kunst. Dass diese ihrerseits im unmittelbaren Dialog Fahrt aufnimmt, teilt nun die aktuelle Schau im Souterrain des Museums mit. Es geht um Phantasie, Offenheit und Neugierde. In der Ausstellung können einzelne Werke berührt werden, andere strahlen nach außen ab: durch ihren Glanz, das Bunte ihrer Farben, den Sog der Farbbewegungen auf der Leinwand. Und plötzlich wird in dem halbdunklen Raum alles lebendig. Da tropft ein polierter brauner Klumpen von der Wand, aber es riecht an anderer Stelle – nämlich aus einer Badewanne – nach Schokolade. Licht und Spiegel scheinen sich um uns zu drehen. Sprechblasen laden zum Gespräch ein. Ein Holzkästchen wirkt nüchtern abweisend, bis man es aufklappt. Oder wir müssen vor einem Bild verschiedene Perspektiven einnehmen, um es zu „verstehen“. Es gibt sein Geheimnis erst dann preis, wenn der Betrachter mitspielt.
Die mit Abstand wichtigsten Beiträge stammen aus dem Bereich der Bildhauerei – und machen die Ausstellung über jeden didaktischen Ansatz hinaus interessant – und handeln vom Bezug des Künstlers zu seinem Material. Das verdeutlichen etwa die Gips- und Tonskulpturen von Heinz Breloh, die wirken, als hätte der Bildhauer vor einer Minute den Arbeitstisch verlassen, und in ihren Wülsten an Pflanzen und an Tierwesen erinnern. Sie weisen noch auf die kleinsten Objekte der Ausstellung, die „Notwandlungsstücke“ von Fritz Schwegler: Ein Vogel mit einem langen Schnabel steckt den Kopf aus einer Vase. Ein grünes Brett läuft auf zwei Füßen – plötzlich sind selbst unglaubliche Konstellationen beseelt. Und dann wieder fällt der Blick auf die theatralisch inszenierte Badewanne mit den braunen Fußspuren. Aber wer möchte wirklich in Schokolade baden? Aus dem Alltag wird Besonderheit. Und umgekehrt.
„Blackbox – Ein Spiel mit Wahrnehmung und Deutung“ | bis 3.4. | Lehmbruck Museum in Duisburg | 0202 283 26 30
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