Sammeln Sie eigentlich noch Filmplakate? Also die, die wirklich in den Kinos hängen? Seit Fotoplakate die klassischen gemalten Plakatmotive abgelöst haben, hat sich die Liebe zum Filmplakat merklich abgekühlt. Dabei sind die Motive ja gar nicht unbedingt schlechter geworden. Im Gegenteil. Es gibt immer noch wunderbare Filmplakate mit herrlichen Stimmungen und mitunter überraschenden Illustrationen. Was eben fehlt, ist die Kühnheit der Maler.
Wenn ein Grafiker vor Jahrzehnten den Star des Films rennend darstellen wollte und unter den Standfotos der Filmfirma kein entsprechendes Bild fand, zeichnete er einfach einen erfundenen oder von einem gänzlich anderen Foto geklauten Körper unter das Porträt des Stars. So setzte Renato Casaro seinen „Supercop“ Terence Hill zum Strafzettelschreiben einfach auf einen Regenbogen, während Kollege Enzo Sciotti Charles Bronson oder Lewis Collins übergroße Maschinengewehre in die Arme drückte, umrahmt von riesigen Explosionen und möglichst vielen Hubschraubern. Drew Struzan malte Michael J. Fox beim Verlassen seines durch die Zeit reisenden, noch dampfenden DeLoreans, und Dan Goozee stellte Roger Moore als James Bond mit Smoking und Co-Star Tanya Roberts einfach mitten auf ein Trägerseil der Golden-Gate-Bridge.
Drew Struzan, der auch die ersten vier „Police Academy“-Plakate gestaltete, erzählt in seinem Buch „The Art of Drew Struzan“, wie er seiner Frau und sich immer alle möglichen Klamotten anzog und dann Polaroids davon schoss, um die Kleidung mit allen Falten möglichst detailgenau unter die Köpfe malen zu können. Mitte der 1980er Jahre ging es für die Airbrush- und Tempera-Meister jedoch rasant bergab. Einerseits wurde die Fototechnik immer besser, andererseits bevorzugten Kunden, nicht nur bei Sex- und Pornofilmen, handfeste Fotodarstellungen. Das Träumen und die Romantik waren passé. Im Zuge des Videobooms kreierten dann viele ehemalige Kinomeister Videocover für zweit- und drittklassige Actiontitel. Die Folge: Das Publikum sah in gemalten Plakaten nur noch falsche Übertreibung statt pointierter Zuspitzung.
Relativ unbeeindruckt gaben sich ausgerechnet die Fassadenkünstler, die in einigen Städten wie München weiterhin die Motive der Filmplakate groß auf Transparente über die Kinoeingänge malten. Eventuell kommt das gemalte Filmplakat aber doch noch mal wieder. Das von Steven Chorney gemalte Hauptmotiv zu „Once Upon a Time in Hollywood“ schaffte es hierzulande mit mehreren Fake-Postern, für die Quentin Tarantino unter anderem Renato Casaro reaktivierte, zwar nur in die zweite Vermarktungsreihe, aber immerhin.
Vielleicht geht es in Zukunft doch wieder darum, für einen Film ein ganz unverwechselbares Motiv zu schaffen, das nicht nur die Jahre, sondern als Symbol-Bild eben auch die verschiedensten Verwertungsstufen eines Films überdauert.
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