Es scheint, als zöge 2016 die explosive Kontinuität seines Vorjahres fort. Einige Unbeirrbare fordern weiter Grenzkontrollen und Mauern gegen Asylbewerber, und anstatt die Ereignisse der Silvesternacht in Köln kühl aber entschieden zu bewerten, wächst Hysterie und Fremdenhass. Wasser auf die Mühlen von Pegida und all jener die, die zu gerne Flucht und Gewalt vermengen. Es scheint, als würden die Barrieren seit dem Sommer eher größer als kleiner. Dem damit drohenden Rechtsruck, den jetzt schon viele Nachbarstaaten erleiden, dürfen wir nicht nachgeben. Aber was ist die Antwort? Wie soll man auf die Stimmung reagieren? Ein entscheidende Antwort kann und muss in jedem Fall immer ein Bekenntnis für die Vielfalt sein: Vielfalt der Menschen, Vielfalt der Medien – Vielfalt, die sich auch im Kulturellen zeigt. Das Ruhrgebiet ist als Schmelztiegel ein glühendes Beispiel dafür und eben das zeigt sich auch in unserer Kulturlandschaft, allem voran in der cineastischen.
Es geht eben auch um Vielfalt zelebrieren und um Haltung zeigen. Da kommt eine Altbekannte im Februar gerade recht. Nein, ich meine nicht die Oscarverleihung, auf der die Filmindustrie sich einmal mehr selber feiert. Ich meine die Berlinale, die seit jeher Wallfahrtsort der kulturellen Vielfalt ist: Grenzen überwinden, das Gemeinsame herausstellen und politische Zeichen setzen; ob mit dem Goldenen Bären für den iranischen Regimekritiker Jafar Panahi für „Taxi Teheran“ im letzten Jahr oder mit Begegnungen von Filmschaffenden, die politisch Feinde sein müssten. Flucht und Asyl soll auf der 66. Berlinale noch einmal mehr im Fokus stehen. Berlinale-Direktor Dieter Kosslick verrät schon jetzt, dass das Thema im Filmprogramm eine wichtige Rolle spielen wird. Geplant sind aber auch Kooperationen mit Flüchtlingsinitiativen. Kosslick will Flüchtlinge als Gäste und Mitarbeiter einladen. Praktische Integrationsimpulse also statt Kulturkontext als Multikulti-Seifenblase.
Mit niemand Geringerem als mit den Coen Brothers und ihrer Hollywood-Groteske „Hail, Caesar!“ startet das Festival am 11. Februar. In 9 Sektionen zeigen die Filmfestspiele Welt-und Europapremieren, Trends des deutschen Films, geballte Ladungen Kurzfilme, Grenzwege der Bewegtbilder als auch Retrospektiven. Eine Rolle spielt auch wieder Dokumentarfilmprovokateur Michael Moore, der mit seinem neuen Film „Where to Invade Next" ebenfalls Premiere feiert. Ein Film, der es damit auf das hiesige Dokumentarfilmfest „Stranger Than Fiction“ nicht mehr schafft, was einer Festivalempfehlung an dieser Stelle aber trotzdem keinen Abbruch tut. Denn die Vielfalt steckt zwischen türkischer Hochzeitsindustrie und klaustrophobischen Eindrücken eines Lampedusas im Ausnahmezustand, um nur 2 Festivalfilme anzureißen, auch hier. Realität ist eben doch stranger than fiction, und man merkt, dass das Thema um Flucht, Fremdheit und Migration das Kino schon lange durchdringt. Auch das Programm der SchulKinoWochen NRW legt bis zum 3. Februar einen thematischen Schwerpunkt auf selbiges und will damit schon bei Kindern Verständnis statt Angst und Ressentiment schaffen. Daher sollten wir vielleicht insbesondere in diesen Zeiten nicht vergessen, vielfältig zu sehen. Dies gilt für den Film in seiner Buntheit und Vielfalt genauso wie für den Menschen, der eben auch vielfältiger und differenzierter ist, als manche ihn derzeit zeichnen.
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