Es ist Sonja Rettkowitz' erstes Mal, dass sie zum Mikrophon greift. An diesem Samstagmittag im September spricht sie zu DemonstrantInnen, um von ihrem Mann zu erzählen – einem Bergmann, der vor sechs Jahren an Krebs verstarb. „Heute wissen wir, dass er hochgiftiges PCB über Luft und Wasser eingenommen hat“, erklärt die Witwe. Bluttests hätten es bewiesen. Ihre Hände zittern. Dann sagt sie: „Man hat es schon lange gewusst, aber aus Profitgier hat man es vertuscht.“
Die Menge applaudiert. Sie sind dem Demo-Aufruf der Bergarbeiterinitiative Kumpel für AUF gefolgt. Vor dem Eingang der Zeche Zollverein, wo die Geschäftszentrale der Ruhrkohle AG sitzt, findet die Abschlusskundgebung statt. Fahnen flattern, von der IG Metall bis zur MLPD. Vereint protestieren sie gegen eine „Politik der verbrannten Erde“, die sie der RAG vorwerfen.
Die RAG legte mit der Schließung der letzten Zeche im Dezember 2018 ein Konzept vor. Der Titel: „Aufgaben für die Ewigkeit“. Der Inhalt: Die Folgen des jahrelangen Bergbaus in der Region, zu denen das sogenannte Grubenwasser zählt – Regenwasser, das sich in den Gesteinen und Hohlräumen ansammelt. Es musste während des Zechenbetriebs abgepumpt werden, um überhaupt Steinkohle abbauen zu können.
Nun sind bekanntlich alle Ruhrgebiets-Zechen stillgelegt und das Grubenwasser kann ansteigen, so lautet zumindest die Rechnung der RAG. Flutung nennen die Bergleute diesen Prozess. Und sie fürchten, dass dadurch eine Trinkwasserkatastrophe im Ruhrgebiet entstehen könnte. Es geht die Angst vor Giftstoffen um. „Die Konzerne müssen uns erst mal beweisen, dass es nicht schädlich ist“, meint Sonja Rettkowitz.
Mit dieser Forderung steht sie nicht alleine da. „Dass Giftstoffe ins Trinkwasser kommen, kann ich nicht beweisen“, sagt Christian Link. „Aber wenn es eingetreten ist, lässt es sich nicht mehr rückgängig machen.“ Der Sprecher von Kumpel für AUF geriet vor fünf Jahren in die Schlagzeilen, als ihm die RAG ein generelles Anfahrverbot erteilte. Sein Arbeitgeber warf ihm falsche Behauptungen gegen den Konzern vor.
Link prangerte öffentlich die Giftmülllagerung unter Tage an. Dass dies nicht der Fall ist, hat die RAG seitdem nie bewiesen. „Diese Tatsachen kann man ja jetzt nicht einfach beiseiteschieben“, kritisiert Link. Doch die RAG ging gegen ihn juristisch vor, wollte ihn sogar verbannen, wie der Kumpel für AUF-Sprecher erzählt: „Sie wollten mich sogar nach Russland schicken. Ich erwarte von der RAG eine Entschuldigung.“ Mittlerweile fungiert der 53-Jährige bei Deilmann-Haniel als Betriebsratsvorsitzender.
Kumpel für AUF fordern nicht nur eine Aufhebung dieses Anfahrverbots, sondern auch eine Entsorgung des Giftmülls, wirksame Filteranlagen für das PCB oder eine Rücknahme der RAG-Kündigungen. An der Kohleverbrennung halten sie dagegen nicht fest, eine erneuerbare Energieversorgung solle her.
Die Initiative entstand im April 2018 mit einem kommunalpolitischen Bezug. Doch es findet eine rege, internationale Koordination zwischen den Bergleuten statt. Andreas Tadysiak (55) besuchte regelmäßig die Kumpel in Indien oder Peru. Vor allem im südamerikanischen Land sieht er düstere Vorboten für das Ruhrgebiet: Auch dort wurden Zechen stilllegt und schließlich die Gruben geflutet, wie Tadysiak berichtet. „Sie haben kaum noch Trinkwasser und kaufen es daher im Supermarkt.“ Doch wer sich das nicht leisten könne, werde oft krank. Daher dirigieren sie noch ein Solidaritätsfoto für die Kumpels in Peru. Es bleibt ein gemeinsamer Kampf.
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bund-nrw.de/themen/klima-energie/im-fokus/steinkohle-ewigkeitslasten/steinkohlenbergbau-und-grubenwasser/ | Die Umweltorganisation BUND mit einem Überblick des Grubenwasser-Problems.
gw-ruhr.rub.de/ | Das Ruhr-Uni-Projekt klärt mit einem Video auf und untersucht die energetische Nutzbarkeit von Grubenwasser.
rag.de/ewigkeitsaufgaben/wasserhaltung/ | Dossier der mit der Ewigkeitsaufgabe Grubenwasser betrauten RAG AG zur Wasserreinhaltung.
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