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Armin König
Foto: Manuela Meyer

„Wir wurden lange Zeit belogen“

25. September 2019

Illingens Bürgermeister Armin König kämpft gegen Umweltsünden



trailer: Herr König, der Boden unter Ihren Füßen ist verseucht – von Schwermetallen, PCB und weiteren Giftstoffen. Genau diese werden als Hinterlassenschaften des Bergbaus im Saarland wie im Ruhrgebiet in die Flüsse eingeleitet und gelangen so in den Umweltkreislauf. Wie können sie damit als Bürgermeister einer 16.000-Seelen-Gemeinde noch gut schlafen?
Armin König: Ich könnte jetzt sagen: weit unter dem Erdboden. Aber so einfach mache ich mir das nicht. Wir hatten schon lange aufgrund von Dokumenten, die ich bei Akteneinsichten beim Oberbergamt, beim Bergamt und beim Umweltministerium gemacht habe, die Vermutung, dass viel zu stark belastete Grubenwässer eingeleitet werden – insbesondere an den ehemaligen Bergbau-Standorten Reden und Camphausen. Doch es wurde stets behauptet: alles in Ordnung, alles zulässig. Über ein Sondermessprogramm des Landesamtes für Umwelt- und Arbeitsschutz haben wir dann festgestellt, dass die Werte nicht beim Umweltqualitätsnormwert von etwa 20 Mikrogramm (μg) pro Kilogramm liegen, sondern beim grubenwassertypischen PCB 22 in Camphausen bei 483μg und in Reden bei 366μg. Die Belastung der Flüsse mit PCB 52, PCB 118 und anderen Stoffen sind extrem hoch. Außerdem gibt es Radon-Gefahren, die bisher kleingeredet wurden. Das hat uns schockiert, denn wir wurden lange Zeit belogen.

Als Bürgermeister und Sprecher der Umwelt-Bürgerinitiative „ProH2O“ haben Sie massiv dafür gekämpft, dass es mit dem Auslaufen der Wasserbescheide 2018 nunmehr Auflagen gibt. Was ist dann geschehen?
Die RAG, die das Grubenwasser einleitet, hat zunächst Widerspruch gegen den neuen Bescheid eingelegt. In Camphausen – es geht dort um zwei Millionen Kubikmeter (m3) Grubenwasser – hat sie nunmehr nachgegeben und stimmt der Klärung in einem Absetzbecken zu, um hochgiftige Schadstoffe auszufiltern. In Reden, wo 15 Mio. m3 eingeleitet werden, will der Konzern hingegen nichts ändern. Er spielt auf Zeit. Die RAG hofft auf die Genehmigung, das Grubenwasser flächendeckend auf ca. 320 Meter unter null ansteigen zu lassen. Damit wäre der Standort Reden überflüssig. Wird der Grubenwasseranstieg genehmigt, fließt es künftig unterirdisch durchs halbe Saarland nach Ensdorf und dort in die Saar. Über Mosel und Rhein entwässert die Saar in die Nordsee. An der Problematik, dass Gifte in den Umweltkreislauf gelangen, würde das aus unserer Sicht nichts ändern. Allerdings kann eine solche Genehmigung noch Jahre dauern.Dahermüssen die saarländischen Umwelt- und Bergbehörden hier hart bleiben. Sie müssen die RAG dazu zwingen, die Filterung des Grubenwassers in Reden durchzusetzen – notfalls gerichtlich.

In der Konsequenz heißt das, es ändert sich bis dahin nichts und die Giftstoffe landen vorerst weiter in den Flüssen.
Genauso ist es. Man kann der RAG das nicht einfach durchgehen lassen. Sie spielt auf Zeit, um die zwingend notwendige PCB-Filterung auf die lange Bank zu schieben. Die RAG will nur eins: Geld verdienen. Das ist ein fortgesetzter Umweltfrevel. Zwar war die Einleitung der Giftstoffe bis 2018 zulässig, nicht aber die Überschreitung der Grenzwerte. Ich habe daher als Bürgermeister und Vorsitzender von „ProH2O“ Strafanzeige gegen die RAG erstattet. Denn das Gift, was unter Tage verklappt wurde, kommt nun wieder an die Oberfläche. Es holt uns ein.

Dass Grubenwasser belastet ist, war und ist ja hinreichend bekannt. Warum ist durch regelmäßige Überprüfungen nicht aufgefallen, dass derart hohe Mengen eingeleitet werden? Warum wurde bisher nicht Alarm geschlagen?
Das fragen wir uns auch. Man hat der RAG lange zugestanden, dass sie Eigenkontrollen durchführt. Und man hat sich auf diese Eigenkontrollen verlassen. Mitte der 2000er Jahre und 2011 hat es zwar weitere Messungen von behördlicher Seite gegeben und man hätte wissen können und müssen, dass die RAG massiv gegen das Umweltgesetz verstößt, doch passiert ist nichts. Die Grünen, die damals bei Jamaika im Saarland die richtigen Fragen gestellt haben – auch im Landtag – wurden nicht ernst genommen. Seitdem die große Koalition im Bund regiert – und das sage ich als Freund von CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer – gibt es eine große Koalition der Wegschauer. Alte Bergbau-Seilschaften sorgen schon dafür, dass heute keiner der RAG weh tut.

Mit Tobias Hans regiert heute einer Ihrer CDU-Parteikollegen das Saarland. In wie weit erfahren Sie Unterstützung seitens der Landesregierung, was die Grubenwasserthematik angeht?
Es gibt null Unterstützung!Ich bin zu tiefst enttäuscht, dass wir damit alleingelassen werden. Ich habe daher eine Volksinitiative gestartet, die 5.600 Unterschriften zusammengetragen hat. Man musste das Thema nun notgedrungen ernst nehmen, aber die Unterstützung seitens meiner eigenen Partei und der SPD fehlt gänzlich. Das ist unsäglich.

Welche Risiken für Mensch, Natur und Umwelt ergeben sich durch die eingeleiteten Gefahren- und Giftstoffe? Und gibt es bereits Erkenntnisse oder die Zunahme von schwerwiegenden Erkrankungen?
Es gibt einen Arzt in Quierschied, der Radon als Hauptproblem für Mensch und Tier ausgemacht hat. Doch auch PCB reichert sich im Laufe der Zeit in den Lebewesen an und wird über die Muttermilch weitergegeben. Die Werte von Arsen und Blei überschreiten ebenfalls oftmals deutlich die Grenzwerte. Zum Teil habe ich das in meiner Strafanzeige erfasst. Wir haben im Saarland erhöhte Krebsraten und das ist für mich immer ein Alarmzeichen.

Doch warum wird weggeschaut? Was sagen Sie zu den üppigen Parteispenden, die CDU und SPD vom Bergbau- und Energiekonzern RAG und der RAG-Stiftungstochter Evonik Industries erhalten haben? Alleine Evonik spendete 2019 jeweils 80.000 Euro an beide Parteien.
Mir sind diese Spenden seit vielen Jahren ein Dorn im Auge. Natürlich kann ich nicht sagen ob und welche Auswirkungen sie haben, zumal sie ja an die Bundesparteien gehen – aber es fällt natürlich auf, dass ausgerechnet CDU und SPD von der Evonik seit Jahren mit hohen Beträgen bedacht werden. Es ist sehr unschön.

Das Grubenwasseranstiegskonzept der RAG ist im Ruhrgebiet ebenfalls Thema. Problematisch ist doch, dass in den vergangenen 200 Jahren an allen möglichen Orten nach Kohle gegraben wurde – und viele Schächte und Stollen gar nicht mehr verzeichnet sind. Steigt das Grubenwasser an, besteht zumindest in der Theorie die Gefahr, dass es sich mit dem Grundwasser vermischt und dieses verseucht. Wie ist das bei Ihnen?
Genau dieses Szenario ist eine unserer größten Ängste. Uns sind Gutachten bekannt, die an einigen Stellen nicht ausschließen können, dass dies am Ende eintritt. Eine 100-prozentige Sicherheit gibt es nicht. Tritt dieser Super-Gau ein, wäre sofort der gesamte Großraum Saarbrücken betroffen. Bei der Umweltverträglichkeitsprüfung wurden Gebiete so geschnitten, dass Überschneidungsgebiete, in denen Grundwasser in Verbindung mit Bergschäden hätten gebracht werden können, nicht weiter auffielen. Die Flutung der Gruben und der Anstieg des Grubenwassers ist eine Zeitbombe. Das von der RAG avisierte Vorgehen erachte ich als höchst fahrlässig. Es darf unter keinen Umständen genehmigt werden. Ich habe null Vertrauen in dieses Unternehmen.

Wie ist jetzt ihr weiteres Vorgehen – sowohl als Kommune als auch als Bürgerinitiative?
Wir warten zunächst den Planfeststellungsbescheid ab. Wenn er vorliegt, bin ich mir sehr sicher, dass sich die Kommunen in meiner Region zusammenschließen und die Frage einer Klage erörtern werden. „ProH2O“ hat zwar bisher noch kein Klagerecht, aber unser Ziel ist es, das Verbandsklagerecht zu erhalten, um ggf. ebenfalls gegen die Entscheidung klagen zu können. Wir werden die Vorhaben der RAG auf gar keinen Fall hinnehmen. Meine feste Überzeugung ist, dass man schon das Planfeststellungsverfahren gar nicht hätte so durchführen können, weil bestimmte Voraussetzungen bei der Antragstellung gar nicht erfüllt waren. Daher hätte der Antrag schon aus formalen Gründen zurückgewiesen werden müssen. Wie mir bekannt ist, gab es bereits 2011 Gespräche von Vertretern der RAG, Gutachtern und den Bergbehörden. Man hat sich in Essen getroffen – und ich nehme an, dass man sich nicht alleine übers schöne Wetter unterhalten hat. Für mich ist das Kungelei.

Eine, die am Ende womöglich auf Kosten der Menschen, der Natur und Umwelt geht. Denn wenn die giftigen Stoffe doch einmal ins Grundwasser gelangen sollten, dann ist es teuer und schwierig sie wieder loszuwerden. Wie wird die Grubenwasserthematik von der Bevölkerung Ihrer Gemeinde aufgegriffen – und wie von den Medien?
Dadurch, dass ich dieses Thema hochgezogen in eine Volksinitiative eingebracht habe, sind wir natürlich sehr stark präsent. Wir hatten eine ganze Seite zum Thema in der FAZ. Wir haben jedoch einen großen Gegner, weil die RAG-Stiftung bzw. die RAG großflächige Anzeigen schalten und ganze Beilagen von einer Berliner Agentur professionell gestaltet verbreiten. Die Art und Weise, wie man mich in der Vergangenheit zu Beginn des Protests zuweilen runtergeschrieben hat, ist schon faszinierend. Doch weder ich als Bürgermeister noch wir als Umweltverein „ProH2O“ lassen uns davon unterkriegen. Es gibt auch immer mehr Journalisten, die erkennen, dass das Thema wirklich auch der Bevölkerung auf den Nägeln brennt. Denn auf der anderen Seite habe ich das große Glück, dass der Saarländische Rundfunk das Thema sehr kritisch und sachkundig begleitet. Es hilft mir natürlich, dass ich mal SR-Redakteur war und weiß, wie man Themen anpackt. In der Gemeinde habe ich den überwiegenden Teil der Bevölkerung in Sachen Grubenwasserproblematik auf meiner Seite. Es gibt jedoch alte Bergleute und ihre Familien, die mich dafür attackieren, dass ich dieses Thema immer wieder hochspiele. Bürgerversammlungen mit bis zu 800 Menschen, die ihre Sorgen und Ängste vorbringen, sind bei uns keine Seltenheit. Als damals die PCB-Belastung im Blut ehemaliger Bergleute untersucht und deutlich erhöhte Werte festgestellt wurden, hat das viele Menschen sehr persönlich getroffen. Insgesamt ist es ein hochemotionales Thema für uns alle.


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zum Thema auch unter: choices.de/thema und engels-kultur.de/thema

Aktiv im Thema

bund-nrw.de/themen/klima-energie/im-fokus/steinkohle-ewigkeitslasten/steinkohlenbergbau-und-grubenwasser/ | Die Umweltorganisation BUND mit einem Überblick des Grubenwasser-Problems.
gw-ruhr.rub.de/ | Das Ruhr-Uni-Projekt klärt mit einem Video auf und untersucht die energetische Nutzbarkeit von Grubenwasser.
rag.de/ewigkeitsaufgaben/wasserhaltung/ | Dossier der mit der Ewigkeitsaufgabe Grubenwasser betrauten RAG AG zur Wasserreinhaltung.

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Interview: Pascal Hesse

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