Ein neues Album von Gang of Four: Man bekommt unwillkürlich Angst, wenn große Helden an ihre Taten anschließen wollen. Die einflussreiche Post Punk-Legende macht mit „Content“ nicht viel falsch: Sie klingen nach Gang of Four, vielleicht nicht ganz so scharfkantig. Und doch hält sich die Relevanz in Grenzen. Es ist eben nicht mehr 1979, und was damals wichtig war, muss in einer Neuauflage nicht mehr viel bedeuten. Ein fast unlösbares Dilemma (Grönland Rec.). Die immer noch imposant verzerrt schimmernden und weitgehend instrumentalen Soundwände der Schotten Mogwai sind zunehmend erfüllt von Melodie und Melancholie, neuerdings auch mit Klavier und Orgel. Das neue Album mit dem tollen Titel „Hardcore will never die, but you will“ gibt es auch als Limited Edition mit Bonus-CD. Die enthält einen 20minütigen elegischen Ambient-Soundtrack zu einer Installation von Douglas Gordon und Olaf Nicolai (Rock Action). Jono El Grande versammelt mit der CD „Phantom Stimulance“ Rares, Unveröffentlichtes und neue Versionen alter Stücke. Der norwegische Art-Rocker macht komplexe Instrumentals, die Zappa, Van der Graf, King Crimson u.a. zur Ehre gereichen. Zwischen ordentlichem Rock-Rums nisten sich feine Melodien, Jazz, etwas Funk und andere Stile ein (rune grammofon). Arbouretumsviertes Album „The Gathering“ vereint wieder schweren, ausufernden Rock mit wunderschöner Americana. Darüber liegt vor allem bei den ruhigeren, folkigen Stücken erhaben die volle Stimme von Bandleader Dave Heumann. Zeitlos nenne ich das heute mal (Thrill Jockey). Noch viel tiefer im Folk steckt Yann Tambour alias Stranded Horse. Auf seinem neuen Album „Humbling Tides“ tänzelt er nicht nur auf den 21 Saiten seines ungewöhnlichen Instruments, der Kora. Er verbindet auch afrikanische und britische Folklore zu einer atmosphärisch betörenden Musik (Talitres).
Domino macht die ersten vier Alben von Royal Trux wieder zugänglich. Das neben Boss Hog und der Blues Explosion dritte Nachfolgeprojekt der Noise-Terroristen Pussy Galore fing auf den ersten beiden Alben mit No Wave-mäßigem Junkie-Blues- Geshreddere an. Vor allem das markerschütternde „Twin Infinitives“ von 1990, wo Synthies und Drummachine Einzug halten, gilt zu Recht als Meilenstein. Der unbetitelte (aka „Skull“) Nachfolger im trashigen LoFi-Sound klingt dagegen richtig melodisch. Für „Cats & Dogs“ hat das Duo zum Quartett aufgestockt. Darauf folgte eine weitgehend drogenfreie Zeit von Neil Hagerty und Jennifer Herrema mit Majorlabel. Das Frühwerk ist auch 20 Jahre später eine Entdeckung wert.
Das hat lange gedauert: Hercules and Love Affair veröffentlichen endlich ihr zweites Album. Es war ja eh immer sein Projekt, und nun ist außer Andrew Butler und Sängerin Kim-Ann Foxman niemand mehr vom Vorgänger dabei, dafür singen Kele u.a. Der Titel „Blue Songs“ ist Programm: Discomelancholie durchweht die Songs, die abwechselnd 70er- und 80er-Atmosphäre verströmen. Produziert hat Patrick Pulsinger (Moshi Moshi). Das dritte Album des Franzosen Agoria ist betont weich und melodisch. Zwischen Detroit Techno und Neo Trance entfaltet „Impermanence“ eine verträumte und dennoch mitreißende Stimmung. Dazwischen streut er Downbeat- und Ambient-Tracks. Gast-Vocals kommen u.a. von Carl Craig (InFine). Die Briten Seefeel haben sich ebenso wie Gang of Four wiedervereint. In der ersten Hälfte der 90er vermischten sie Shoegaze mit Post-Rock, Krautrock, IDM und Ambient. Das machen sie nun auch, aber irgendwie nagt der Zahn der Zeit an den abstrakten Enden der Popmusik weniger. Das erste selbstbetitelte Album seit 14 Jahren erscheint bei Warp.
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