Nach einem Unfall ist die alleinlebende, geschiedene Helga auf Krücken angewiesen. Da ihre Haushaltshilfe in Urlaub fährt, schickt die als Ersatz einen polnischen Bekannten. Der Witwer Ryszard kann kein Deutsch und Helga kein Englisch. Nach einigen Missverständnissen kommt man sich (auch sexuell) näher – was Helgas gutbürgerliches Umfeld mit Unverständnis notiert. Ein in klaren Cinemascope-Bildern (Kamera: Patrick Orth) erzähltes Kammerspiel über die Traurigkeit des Alleinseins und über Vorurteile, die man sich eigentlich nicht eingestehen will. Mareille Kleins unaufgeregt inszenierter Film „Da kommt noch was“ lebt vor allem von der „leisen“ Schauspielkunst Ulrike Willenbachers, die Gefühle eher andeutet, als sie ausbrechen zu lassen. Das brachte ihr beim Kinofest Lünen verdientermaßen den Preis als „Beste Schauspielerin“ ein.
Acht deutsche Frauen hat Caroline Schmitz in „Mutter“ zu deren Mutterschaft befragt und lässt hier ihre Stimmen sprechen. Das Ergebnis fällt ernüchternd aus: gedemütigt, unerfüllt, reduziert aufs Rollenbild. Energieschluckerei, Hetze, Leere. Sehr rar macht sich hier im kühlen Monologsplitter das Mutterglück – die tatsächliche Ambivalenz der Mutterschaft ließe sich sicherlich ausgewogener darlegen. Und doch ist dieses filmische Experiment, in dem Anke Engelke acht Stimmen im Alleingang bespielt, den Besuch wert. Denn Engelkes Performance ist die große Stärke dieses Films. Wie sie hier den Originalstimmen einen Mund, einen Körper gibt, ist in Timing, Spiel und im Spiel mit dem Spiel grandios und in jedem Augenblick eine Offenbarung. So lohnt bei inhaltlichen Abstrichen bereits die Inszenierung.
„Bring mir eine Nachricht von meiner Liebsten / um meinen Schmerz zu stillen.“ Um Herzschmerz, Trennung und Heimweh geht es in den Liedern der türkischen Gastarbeiter, die sie auf bunte Musikkassetten aufnahmen und in Gemüseläden vertrieben. Ikonisch war Yüksel Özkasap, die „Nachtigall von Köln“. Bald mischten sich sozialrealistische Themen unter die Emotionen, das proletarische Prekariat des deutschen Wirtschaftswunders, die Billiglohnempfänger, Fließbandarbeiter und Müllmänner bekamen in den Liedern eine Stimme. Mit viel Musik und historischem Archivmaterial schlägt Regisseur Cem Kaya in „Liebe, D-Mark und Tod“ den großen Bogen von der Ankunft der ersten Gastarbeiter bis hin zur dritten Generation. Eine überfällige und aufrichtige Hommage an die ganz eigene Almanca-Kultur, einer türkischen Kultur „Made in Germany“.
Außerdem neu in den Ruhr-Kinos: Kurt Langbeins Duell-Doku „Der Bauer und der Bobo“, Rosa von Praunheims vielschichtiges Portrait „Rex Gildo - Der letzte Tanz“, Natalia Sinelnikovas satirisches Drama „Wir könnten genauso gut tot sein“, Michael Bully Herbigs harmlos-freche Mediensatire „Tausend Zeilen“ , Ivan Calbéracs romantische Komödie „Weinprobe für Anfänger“, Parker Finns Horrorfilm „Smile - Siehst du es auch?“ und Sven Unterwaldts Jugendabenteuer „Die Schule der magischen Tiere 2“.
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Lisa Roy über ihren Debütroman und das soziale Gefälle in der Region – Über Tage 04/24
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Teil 1: Lokale Initiativen – Amnesty International in Bochum
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Das IFFF fordert Gleichberechtigung in der Filmbranche – Festival 04/24
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