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Fallende Blätter

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11. September 2023

Die Filmstarts der Woche

Der Protagonist Holappa aus Aki Kaurismäkis neuem Film „Fallende Blätter“ kommt wie Travis Bickle aus  „Taxi Driver“ (1976) aus der klassischen Arbeiterklasse. Auch er versucht, eine Frau im dunklen Licht des Kinosaals zu erobern. Beiden wurde gerade gekündigt, beiden treffen sich zufällig in einer Karaoke-Bar. Bis sie merken, dass sie sich gegenseitig gut tun könnten oder gar lieben, vergeht aber noch etwas Zeit. Und dann fangen die Probleme erst richtig an. Nicht nur, weil Holappa immer einen Flachmann dabei hat. „Fallende Blätter“ wäre kein echter Kaurismäki-Film, wenn er sich nicht mit großem Herz den „kleinen Leuten“, der Arbeiterklasse mit all ihren Problemen und den Ungerechtigkeiten, mit denen sie sich abmühen muss, widmen würde. Und so wird „Fallende Blätter“ auch als vierter Teil von Kaurismäkis Arbeitertrilogie angekündigt. Tatsächlich ähneln sich inhaltlich alle seine Filme in einem leicht pessimistischen Humanismus, der mit leisem Humor immer auf der Seite seiner Protagonist:innen steht und mit einem radikalen Reduktionismus einhergeht, der in einer immer komplexeren, schnelleren und auch zunehmend überladenen Welt keine Einstellung, kein Detail im Setting (legendär Kaurismäkis einheitliche Farbgestaltung) und auch kein Wort und keine Mimik zu viel enthält. Die Essenz des menschlichen Daseins, die am Ende auf der Leinwand zu sehen ist, trifft das Publikum unmittelbar und umso tiefer. In seinem Alterswerk keimt zudem ein wenig Optimismus.

Die Tagesklinik Adamant auf einem Boot in Paris ist Anlaufstelle für Menschen mit psychischen Problemen. Die Mission: gegen die Entmenschlichung in der Psychiatrie anschwimmen. Nicolas Philibert hat der einzigartigen Einrichtung mit seinem Dokumentarfilm „Auf der Adamant“ ein großartiges Denkmal gesetzt, das dieses Jahr mit dem Goldenen Bären auf der Berlinale belohnt wurde. Einfühlsam und voller Respekt vor der psychischen Diversität der Menschen gibt er den unterschiedlichen Protagonisten Raum, die auf der Adamant ein- und ausgehen. Im therapeutischen Zentrum steht die Kunst und die individuelle Ausdrucksweise, wunderbar sind die Performances und Interpretationen der Werke der Patient:innen. Das ist zutiefst human, auch witzig und immer voller Aufrichtigkeit. Ein berührendes Plädoyer für mehr Menschlichkeit.

Sieben Winter in Teheran“, der erste lange Dokumentarfilm der an der Kölner KHM ausgebildeten Regisseurin Steffi Niederzoll, war auf der diesjährigen Berlinale einer der emotional berührendsten Filme des Festivals. Nun kommt die Geschichte der 2014 nach sieben Jahren Gefängnis und Folter wegen Mordes zum Tode verurteilten Studentin Reyhaneh Jabbari, die ihren Vergewaltiger in Notwehr getötet hatte, ins Kino – und trifft uns nicht nur mitten ins Herz. Denn der aus aktuellen Interviews mit Reyhanehs Familie und ehemaligen Gefängnisgenossinnen sowie aus dem Iran unter Todesgefahr herausgeschmuggelten Handy-Aufnahmen und (vorgelesenen) Auszügen aus Reyhanehs Briefen montierte Film macht gleichzeitig wütend, weil er uns verstörend und beschämend zugleich unsere Ohnmacht gegenüber einem frauenverachtenden Regime vor Augen führt.

Es sind vor allem die langsamen, farbintensiven Kameraeinstellungen, die Jan Schmidt-Garres Dokumentation „Das Versprechen – Architekt BV Doshi“ prägen. Sie verweilen auf den Gebäuden, zu denen der Protagonist des Streifens, Balkrishna Doshi, Erläuterungen gibt, lassen sie für sich sprechen. Damit passen sie zu Doshis Charakter: Er spricht stets ruhig und bedacht, einmal verweilt die Kamera minutenlang auf ihm, während er meditiert und Atemübungen macht. Damit ist Schmidt-Garres Dokumentation in erster Linie ein Kunstfilm, der das Wesen der Architektur Doshis einfängt und widerspiegelt. Gleich zu Beginn etwa definiert der Architektur als „eine Reise, eine Entdeckung davon, wer du wirklich bist“. Dementsprechend sind seine Entwürfe offen, sie vermischen sich mit den natürlichen Elementen und geben Raum zum Atmen sowie zur freien Entfaltung.

Außerdem neu in den Ruhr-Kinos: Kenneth Branaghs ungewohnt düstere, dritte Poirot-Verfilmung „A Haunting in Venice“, Lukas Borchers' engagierte Flussfahrt mit Tun „Kurs Südwest“, Roger Avarys blutiges Gangsterstück „Lucky Day“, Michale Boganims völkerverbindendes Grenz-Drama „Tel Aviv - Beirut“, Nimród Antals solides Thriller-Remake „Retribution“, Dany Boons Liebes-Klamauk „Voll ins Leben“ und Finn Christoph Stroeks' und Lena May Grafs bedingt besserer Hochzeits-Kuddelmuddel „Trauzeugen“.

Redaktion trailer-ruhr.de

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