
Paulette
Frankreich 2013, Laufzeit: 87 Min., FSK 12
Regie: Jérôme Enrico
Darsteller: Bernadette Lafont, Carmen Maura, Dominique Lavanant
>> www.paulette-film.de
Sarkastisch-liebenswerte Sozialkomödie
Die Drogen-Oma
"Paulette" von Jérôme Enrico
Die Franzosen haben, offensichtlich im Gegensatz zu uns Deutschen, genügend Humor, um sich über die eigene missliche Lage noch respektlos lustig zu machen. Erst vor einigen Wochen haben Gustave de Kervern und Benoît Delépine in ihrem neuesten gemeinsamen Film „Der Tag wird kommen“ eine bitterböse Sozialparabel entworfen, in der die aktuelle Schieflage der Wirtschaft auf Kosten des kleinen Mannes auf entlarvende Weise aufgegriffen wurde. Lachen, damit es nicht so weh tut. Einen ähnlichen Ansatz hat nun auch Jérôme Enrico („L’Origine du Monde“) in „Paulette“ gewählt, der in einem heruntergekommenen Pariser Banlieue angesiedelt ist. In der anonymisierten Wohnklotzsiedlung hausen Migranten, Außenseiter und Gescheiterte, die sich einfach keine bessere Unterkunft leisten können. Zu ihnen zählt auch Paulette (grandios: Bernadette Lafont), die nach dem Tod ihres Mannes und nach der Aufgabe des gemeinsamen Restaurants von einer bescheidenen Mindestrente zehren muss. Als sie dahinterkommt, dass in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft Drogendealer hunderttausende Euro verdienen, nimmt sie mit ihrer unverblümten und frechen Art mit deren Boss Kontakt auf. Was die jungen Migranten können, kann Paulette doch schon lange – zumal keiner ernsthaft den Verdacht hegen würde, dass die tüttelige Alte professionell Hasch vertickt.
„Paulette“ lebt von den breit ausgespielten Gegensätzen, die sich zwar etablierter Stereotypen bedienen, durch den Bruch mit ihnen aber einen ganz eigenen Humor entwickeln. Bernadette Lafont legt ihre Großmutterrolle alles andere als liebenswert an – diese Paulette ist eine Schreckschraube, wie sie im Buche steht. Ihren Rassismus stellt sie zu jeder Gelegenheit offen zur Schau, worunter in erster Linie ihr schwarzer Schwiegersohn und ihr Enkel zu leiden haben. Aber auch den meisten anderen Mitmenschen begegnet sie eher schroff und abweisend. Das verschafft ihr schließlich das nötige Durchsetzungsvermögen, um sich gegenüber dem örtlichen Drogenboss behaupten zu können und die Handlung ans Laufen zu bringen. Diese ist freilich nicht besonders realistisch angelegt, sondern folgt eher den eskapistischen Regeln des Wohlfühlkinos. Alles, was Paulette und ihre im Laufe der Zeit dazukommenden Gehilfinnen in die Hände nehmen, funktioniert reibungslos. Selbst größere Problemfälle und Konflikte werden im Handumdrehen gelöst. Aber „Paulette“ will gar nichts anderes sein als leichtfüßige Unterhaltung, was ihr mit schrägem Humor und einer exzellenten Schauspielerführung auch ganz formidabel gelingt. Und wenn der Film am Ende auch sicherlich keine praktikable Lösung gefunden hat, wie man aus der Misere der sozialen Not herauskommen kann, so hat er doch immerhin seinen Finger in eine Wunde gelegt und deren Problematik auf unkonventionelle Weise ans Publikum gebracht.
(Frank Brenner)
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