Mia Madre
Italien, Frankreich 2015, Laufzeit: 107 Min., FSK 6
Regie: Nanni Moretti
Darsteller: Margherita Buy, John Turturro, Giulia Lazzarini, Nanni Moretti
>> www.miamadre-film.de/
Tragikomödie über eine Frau in der Midlife Crisis
Das Leben ist voller Baustellen
„Mia Madre“ von Nanni Moretti
Das Leben der erfolgreichen Filmregisseurin Margherita (Margherita Buy) steht Kopf: Ihr Freund hat sie verlassen. Der Kontakt zu ihrer pubertierenden Tochter ist in weite Ferne gerückt. Ihre Mutter landet ohne Hoffnung auf Genesung im Krankenhaus. Der Bruder (Regisseur Nanni Moretti) stellt Margheritas Bemühungen um Fürsorge in den Schatten. Und am Drehort muss Margherita sich mit einem eitlen und selbstüberschätzten US-Schauspieler (John Turturro) herum ärgern. Beim Versuch, Ordnung in das Chaos zu bringen, stolpert die Frau in der Midlife Crisis über die eigenen Füße. In Albträumen steht ihr das Wasser bis zum Hals, zwischenmenschlich eskaliert die Lage. Während sie für den Realismus ihrer Filme geschätzt wird, verliert sie den Bezug zur eigenen Lebensrealität. Liegt der Ansatz zur Lösung am Ende bei Margherita selbst?
„Mia Madre“ – schon der Titel könnte auf einen sehr persönlichen Film verweisen. Und dieses Drama ist wahrhaftig Nanni Morettis („Das Zimmer meines Sohnes“, „Der Italiener“, „Habemus Papam“) bisher persönlichstes Drama. Das ist in geradezu jeder Szene spürbar, wenn der Regisseur seine beruflichen Erfahrungen ebenso in den Film projiziert wie seine autobiografischen Konflikte und den Tod seiner Mutter. Die eine oder andere Szene enthebt sich dabei auch mal dem Erzählfluss und geriert so zum Selbstzweck, der Regisseur wirkt dann zu befangen und verliert den Blick auf die Geschichte. Hier und dort bewegt sich Moretti auch leicht unentschlossen zwischen Drama und Komödie. Das wird vor allem in den Szenen mit John Turturro deutlich. Während das Leben rund um Margherita tragisch aus den Fugen gerät, streut Moretti mit Turturro clowneske Inseln, in denen Ulk und Slapstick dominieren. Man ahnt auch hinter Turturros Charakter den tragischen Konflikt, doch bleibt die Figur zu oberflächlich, um ihm die dafür nötige Tiefe zu verleihen. Damit bleibt der Charakter auf einen Clown reduziert, der in diesem Drama fehl am Platze scheint.
Das Selbstreferenzielle darf aber zugleich als die Stärke es Dramas betrachtet werden. Vor allem das Verhältnis der Protagonistin zu ihrer titelgebenden Mutter sprüht insbesondere zum Ende hin vor lebensnahen Erfahrungen und Einsichten, die entsprechend lebensnah berühren. Besonders stark ist Moretti, wenn er den Gefühlszustand von Margherita in surreale Tag- und Albträume taucht. Erinnerungen und Träume, die sich nicht unmittelbar als Vision erschließen, die überraschen und Ängste wahrhaftig werden lassen. Nicht zuletzt die Szenen am Set zum Film im Film entspringen unübersehbar den eigenen Erfahrungen Morettis, der seit nunmehr knapp 35 Jahren Regie führt. Und hier gelingt auch immer wieder das stimmige Augenzwinkern, wenn Margherita rätselhafte Regieanweisungen gibt oder sich in der Pressekonferenz dabei erwischt, Floskeln zu dreschen. „Mia Madre“ bildet somit ein wunderbares Beispiel für das Für und Wider des autobiografisch gefärbten Dramas.
Cannes 2015: Preis der Ökumene
(Hartmut Ernst)
„Film als Grundversorgung statt als Risiko“
Alexander Scholz über die Ziele des Filmnetzwerks Filmkultur NRW – Portrait 09/23
Verfilmung eines Bestsellerromans
„Die Mittagsfrau“ im Casablanca Bochum – Foyer 09/23
Künstler:innenportraits im Oktober
Neue Filme von Margarethe von Trotta und Wim Wenders – Vorspann 10/23
„Diese Geschichte ist eine Warnung an das Heute“
Mala Emde über „Die Mittagsfrau“ – Roter Teppich 10/23
„Barbenheimer“ goes Artiplex
Lösen sich die Kinounterschiede auf? – Vorspann 09/23
„Ich fühle mich oft als Außenseiter“
Exklusiv: Teo Yoo über „Past Lives – In einem anderen Leben“ – Roter Teppich 08/23
Die Geschichte eines „Wochenendes“
Herr Schier und seine Agenturen – Vorspann 08/23
„Das Leben ist im Doppel einfacher zu meistern“
Burghart Klaußner über „Die Unschärferelation der Liebe“ – Roter Teppich 07/23
Kein Sommerloch in Sicht
Mit Blockbusterkino und Open Air – Vorspann 07/23
Cannes kann
Neue Werke von Hausner und Glazer an der Croisette – Vorspann 06/23
Die Scheiben des Kinos
Vom Zauber der Gebäude und Menschen – Vorspann 05/23
„Bei Schule können wir nicht einfach etwas behaupten“
3 Fragen an Johannes Duncker, Drehbuchautor von „Das Lehrerzimmer“ – Gespräch zum Film 04/23
Komplizinnenschaft
Das IFFF bietet einen Blick auf feministische Solidarität – Festival 04/23
Selfie mit dem Raptor
Dino-Show „Jurassic World: The Exhibition“ in Köln - Film 04/23
Endlich wieder in voller Blüte
Das Filmfestival-Comeback im April – Vorspann 04/23
„Petzold hat einen Reichtum an Anekdoten“
Enno Trebs über „Roter Himmel“ – Roter Teppich 04/23
„Ich hatte bei diesem Film enorm viel Glück“
Tarik Saleh über „Die Kairo Verschwörung“ – Gespräch zum Film 04/23
Mysteriöses auf schottischem Landsitz
„Der Pfau“ im Cinedom – Foyer 03/23
„Man muss sich über alte Zöpfe Gedanken machen“
Clemens Richert zur 44. Auflage der Duisburger Akzente – Festival 03/23
„Emotionen kochen hoch und Leute entblößen sich“
Lavinia Wilson über „Der Pfau“ – Roter Teppich 03/23
Blumen statt Kotbeutel
Warum wir die Kritik brauchen – Vorspann 03/23
Alle Farben der Welt
37. Teddy-Award-Verleihung bei der 73. Berlinale – Foyer 02/23
Drei NRW-Filme im Berlinale-Wettbewerb
20. NRW-Empfang im Rahmen der 73. Berlinale – Foyer 02/23
Hochwertiges deutsches Filmschaffen
Verleihung des Preises der Deutschen Filmkritik 2022 auf der Berlinale – Foyer 02/23
„Einen Körpertausch würde ich nicht gerne machen“
Jonas Dassler über „Aus meiner Haut“ – Roter Teppich 02/23