Filme kann man in den UCI-Kinos immer sehen, aber eine filmische Führung durch die Matisse-Ausstellung in der Londoner Tate Modern ist eine Überraschung. Mit der Reihe „Exhibition on Screen“ will die UCI-Gruppe solche Führungen im filmischen Format nun regelmäßig geben, den Auftakt machte Matisse am 9. November.
Es begann mit einem Malkasten, den der Einundzwanzigjährige, an einer Blinddarmentzündung erkrankte Matisse (1869-1954) von seinen Eltern als Geschenk bekam, um sich während der Genesung die Zeit zu vertreiben. Danach war alles anders. Matisse schmiss sein Jura-Studium, ging nach Paris und bewarb sich an der École des Beaux-Arts. Die Aufnahmeprüfung schaffte er im zweiten Anlauf und trat dann in das Atelier von Gustave Moreau ein, wo er das künstlerische Handwerk lernte.
Matisse war äußerst produktiv und experimentierfreudig. In seinen Bildern, die thematisch ein weites Spektrum umfassen, verarbeitet er Werke der großen französischen Maler des 18. und 19. Jahrhunderts und erprobt die Maltechniken der Avantgarde-Künstler. Er experimentiert mit der impressionistischen Malweise, wendet sich später dem Synthetismus und Kubismus zu und lässt Elemente des Orientalismus in seine Arbeiten einfließen. Matisse' Werke sind komplex. In ihnen beschäftigt sich der Künstler intensiv mit den bildnerischen Mitteln – der Farbe und der Linie – und dem Verhältnis zwischen Figur und Raum. Wie bereits die Avantgarde-Künstler reflektiert er die medialen Eigenschaften des Bildes. Diese Auseinandersetzung findet im Spätwerk, in den Scherenschnitten ihren Höhepunkt. In den Papierarbeiten wird die Verschränkung zwei- und dreidimensionaler Elemente auf die Spitze getrieben.
Der bristische Regisseur Phil Grabsky macht die „gouaches découpées“ zum Thema seines Dokumentarfilms. Anlass sind zwei Ausstellungen, die Matisse' späte Schaffensperiode beleuchten. Die Tate Modern in London und das New Yorker Museum of Modern Arts haben dieses Jahr in einer Kooperation die wichtigsten, teilweise selten zu sehenden Arbeiten dem Publikum präsentiert. Die „Blauen Akte“ (1952) konnten seit langer Zeit wieder zusammengeführt werden. Grabsky führt uns durch die Räume, fokussiert einzelne Bilder und lässt die Kuratoren der Ausstellungen zu Wort kommen, die uns nicht nur Matisse' Kunst näher bringen. Die Konzeption der Ausstellungen wird ebenso besprochen. Der Kinobesucher bekommt einen Eindruck davon, wie die Hängung der Werke geplant wird oder wie die empfindlichen Papierarbeiten restauriert werden. Zwischendurch werden immer wieder Szenen eingespielt, die Matisse bei der Arbeit zeigen. Wir sehen ihn, wie er mit einer großen Schere aus den gefärbten Papierbögen einzelne Elemente herausschneidet, die anschließend von seinen Assistentinnen auf der Fläche arrangiert werden. Der durch Krankheit gezeichnete Matisse war auf seine Helferinnen angewiesen. Auszüge aus seinen Notizen über die Kunst ergänzen Grabskys Material und bieten dem Zuschauer einen Einblick in das Denken des Künstlers.
Fortgesetzt wird die UCI-Reihe „Exhibition on Screen“ im Januar 2015. Dann geht es um den holländischen Maler Jan Vermeer und sein berühmtes Bild „Das Mädchen mit dem Perlenohrring“. Portraits über Rembrandt und Vincent van Gogh folgen im Februar und April. Im Mai endet die Reihe mit einem Film über die Impressionisten und ihren Sammler Paul Durand-Ruel. Vom Auftakt der Reihe war das Publikum angetan, die kommenden Termine versprechen ebenfalls spannende Annäherungen an unterschiedliche Künstler.
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