„Das Mädchen mit dem Perlenohrring“ gehört zu den populärsten Bildern des Delfter Malers Jan Vermeer (1632 – 1675) und diente bereits als Buch- und Filmvorlage. Während das Mauritshuis, in dessen Besitz sich das Werk seit 1902 befindet, umgebaut wurde, ging das berühmte Bild auf Welttournee und ist nun nach zwei Jahren zurückgekehrt. Phil Grabsky nimmt dies zum Anlass und führt die Zuschauer im zweiten Teil seiner Serie „Exhibition on Screen“ durch die Sammlung des Den Haager Museums. Jan Vermeer steht dabei im Fokus.
Vermeer ist vor allem für seine Interieur-Szenen bekannt, die einen intimen Einblick in häusliche Szenen des holländischen Alltags bieten. Es sind Bilder des Alleinseins und des Innehaltens, in denen die Zeit still zu stehen scheint. Die Figuren sind in sich versunken, wenn sie musizieren, Schmuck anprobieren oder Briefe lesen. Als eine „Malerei des Inneren“ bezeichnete der französische Kunsthistoriker Daniel Arasse (1944 – 2003) deshalb Vermeers Bilder, die über eine bloße Schilderung des Alltags hinausgehen. Die Szenerien sind konstruiert und allegorisch aufgeladen. Vermeer manipuliert dabei die Symbole, so dass sich die Bilder einer eindeutigen Lesart entziehen. Auch das 1665 entstandene Bild „Das Mädchen mit dem Perlenohrring“, das eine dem Betrachter zugewandte weibliche Figur vor dunklem Hintergrund zeigt. Viel wurde darüber gerätselt, wer die junge, exotisch anmutende Frau mit dem Seidenturban und dem üppigen Perlenohrring sei. Wer Vermeer Modell saß, kann jedoch nicht rekonstruiert werden. Die Forschung geht davon aus, es handle sich um eine idealisierte Studie und nicht um das Portrait einer realen Person. Beachtenswert ist die Malweise – der typische Vermeer-Effekt lässt sich auch hier ausmachen. Das Changieren zwischen Schärfe und Verschwommenheit, das Setzen von Lichtreflexen und das Fehlen von Umrisslinien, das Figur und Grund miteinander verschmelzen lässt und ein Maximum an Präsenz evoziert, sind wesentliche Charakteristika seines Malstils.
Lange Zeit ist Vermeer in Vergessenheit geraten. Erst im 19. Jahrhundert wurde er wiederentdeckt und gefeiert. Die scheinbar realistischen Bilder, der spezifische Umgang mit Licht und die Hinwendung zum Alltäglichen begeisterten den französischen Historiker und Kunstkritiker Thoré-Bürger, der mit seinen Aufsätzen, die 1866 veröffentlicht wurden, Vermeer zu Ruhm verhalf und eine Euphorie auslöste. Auf dem Kunstmarkt erlebten die Werke des holländischen Malers einen regelrechten Boom.
„Das Mädchen mit dem Perlenohrring“ gelangte ebenfalls auf eine Auktion. Im Jahr 1881 wurde es von dem Kunstsammler Arnoldus Andries des Tombes in Den Haag ersteigert und ging 1902 nach dessen Tod in die Sammlung des Mauritshuis über, das bedeutende Kunstwerke holländischer und niederländischer Künstler des Goldenen Zeitalters beherbergt. Grabsky führt uns durch die Räume des 1822 eröffneten Museums und beleuchtet die Highlights. Wie bereits im Film über Henri Matisse schafft er es in beeindruckenden Bildern, Kunst auf die Kinoleinwand zu bringen. Neben Jan Steens „Wie die Alten sungen, so zwitschern die Jungen“ werden Frans Hals’ „Lachender Junge“ und Carel Fabritius’ „Der Distelfink“ von den Kuratoren des Hauses vorgestellt und in den kunsthistorischen Kontext eingebettet. Besprochen wird auch „Die Anatomie des Dr. Tulp“ – ein Vorgeschmack auf den nächsten Teil der Serie, in dem es um Rembrandt gehen wird.
Weitere Termine der Reihe „Exhibition on Screen“ der UCI-Kinogruppe:
„Rembrandt“ – aus der National Gallery London und dem Rijksmuseum Amsterdam | So 22.2. 17 Uhr
„Vincent van Gogh“ – mit exklusivem Zugang zum Van Gogh Museum Amsterdam |
So 19. 4. 17 Uhr
„Die Impressionisten“ – aus Paris, London und den USA |
So 31. 5. 17 Uhr
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