Eines zu Beginn vorweg: Ich bin zwar weiß und „männlich“, aber niemand, der die Wichtigkeit von #MeToo in Frage stellt oder keine Kritik an der Geschlechterungleichheit in der Filmbranche zulassen möchte. Doch in welcher Form wir über all das reden, ermüdet mich, weil es so oft an der symptomatischen Oberfläche verbleibt. Wenn Kulturstaatsministerin Monika Grütters kurz vor der Berlinale beispielsweise ganz selbstgerecht konstatiert, dass sich ein schöner roter weiblicher Faden durch die Berlinale ziehe, weil von den 17 Filmen, die um den Goldenen Bären konkurrieren, immerhin sieben Filme von Regisseurinnen stammen, ist das eine griffige Schlagzeile, die in vielen Medien Verwendung findet, aber leider nicht über die Oberfläche hinaus geht, wenn wir über fehlende Diversität im Film sprechen. Natürlich ist das Heranziehen von solchen Statistiken legitim, denn sie sind erste Indikatoren für die Gleichstellung. Doch es strengt mich an, dass die meisten Diskurse über dieses schlichte Gegeneinanderhalten von Geschlechterstatistiken zwischen Frauen und Männern nicht hinauskommen. Denn damit verbleiben wir indirekt auf der Annahme einer binären Geschlechterkonstruktion und die ist alles andere als divers, sondern ein Fallstrick, der uns nicht weiterhilft.
Wenn wir über Gleichstellung sprechen, dann sollten wir die Gleichstellung allumfassend denken, das Geschlecht als biologisch und sozial determiniert anerkennen, was dazu führt, dass mehrere Geschlechter denkbar sind und die beiden Geschlechter Mann und Frau in sich stark heterogen sind. Die soziale Komponente bringt dann auch mit, dass die Gleichstellung andere sozial benachteiligte Gruppen wie Menschen mit Behinderungen, Ethnien und Flüchtlinge berücksichtigen muss. Im Hinblick auf die Filmbranche hat die Frage nach Gleichstellung also viele Facetten. Dabei fokussiert sich der Diskurs zu einseitig auf die Filmproduktion, wenn er danach fragt, wie viele Regisseurinnen, Kamerafrauen und Produzentinnen ihren Abschluss gemacht haben oder nominiert worden sind. Was ist aber mit der Thematisierung von Diversität im Film durch seine Inszenierung und seine Figuren? So ist es doch vor allem die Inszenierung von Diversität, die am ehesten Auswirkungen auf unser Denken und unsere Gewohnheiten als Zuschauer hat, vom Diskurs aber eher nur peripher beachtet wird. Als leuchtende Beispiele bemüht man gerne jüngere Filme wie „Black Panther“. An dieser Stelle muss ich an die ARD denken, die noch in den 90er Jahren die Queer-Community durch ihre schwule Figur Carsten Flöter aus der Lindenstraße als ausreichend repräsentiert betrachtete und der Mainstream leider anders aussah. Klar, die schwarzen Helden aus „Black Panther“ sind natürlich ein super pointiertes Beispiel. Wenn es aber um Diversität geht, dann geht es auch um die Auflösung von Stereotypen. Doch sowas tritt meist leise zutage, in feinen Charakterdarstellungen. Diversität ist mit ihnen erst dann erreicht, wenn die vereinfachten Schlagzeilen gar keinen Platz mehr finden, weil Dinge, die schon normal sind, auch endlich im Film ausreichend repräsentiert werden. Drum lasst den Film und seine Branche diverser werden, aber den Diskurs gleich mit!
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