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Den Kopf in den Sand stecken? Straußenskulpturen am Europaparlament.
Foto: Nikitamaykov / Adobe Stock

Demokratischer Bettvorleger

26. September 2024

Teil 2: Leitartikel – Warum das EU-Parlament kaum etwas zu sagen hat

Wenn es darum geht, der restlichen Welt Vorträge über Demokratie zu halten, dann erweckt das Europäische Parlament nicht selten den Eindruck eines Tigers auf dem Sprung. Angesichts der Tatsache, dass es selbst grundlegende demokratische Rechte nicht hat, landet es dann im täglichen europäischen Politikgeschäft aber nicht selten als demokratischer Bettvorleger nationaler Interessen und Politken. 

Geht es um die eigenen demokratischen Kompetenzen und Rechte, scheint für die EU-Abgeordneten eher das olympische Motto „Dabei sein ist alles“, zu gelten. So kann das Parlament die Exekutive, also die EU-Kommission, nicht bestimmen. Vielmehr liegt das Vorschlagsrecht bei den Staats- und Regierungschefs. Als Manfred Weber (CSU) nach der gewonnen Wahl von 2019 Kommissionspräsident werden wollte, verhinderten ihn die Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedsländer. Zwei Monate nach der Wahl schmiss Weber, der vom Gros der nationalen Regierungen abgelehnt wurde, nach wochenlangem Geschacher entnervt das Handtuch. Stattdessen wurde Ursula von der Leyen, damals noch Verteidigungsministerin der BRD, aus dem Hut gezaubert. Das Parlament geißelte diese Entscheidung als undemokratisch und hätte sie ablehnen können. Doch spätestens den nächsten Vorschlag hätten die Abgeordneten angesichts der seit der Wahl verstrichenen Zeit wohl schlucken müssen.

Heillos zersplittert

Auch Gesetze einzubringen, ist dem EU-Parlament verwehrt, was ein offensichtliches Zeichen für fehlende Souveränität ist. Stattdessen kommen die Gesetzesvorhaben von der Kommission. Alles, was das Parlament kann, ist die Kommission lieb bitten, sich doch um ein bestimmtes Gesetzesvorhaben zu kümmern und es auf den Weg zu bringen. Sperrt sich die Kommission, sind den Abgeordneten die Hände gebunden. Kommt es zu einem Gesetzgebungsverfahren, stehen auch hier die Rechte des Parlaments den hergebrachten Sitten bürgerlicher Demokratien nach. Gesetze müssen nämlich mit dem Rat der EU – in dem die Mitgliedstaaten organisiert sind – abgestimmt werden. Bleibt eine Einigung aus, kann das Parlament den Rat zwar theoretisch überstimmen. Doch hierzu fehlt es meist an der erforderlichen Geschlossenheit. Das Parlament kennt nämlich keine genuin europäischen Parteien mit Wahllisten, sondern ist entlang parteipolitischer und nationalstaatlicher Grenzen heillos zersplittert. Das ist durchaus so von den Mitgliedsstaaten gewollt, denn ein selbstbewusstes Parlament wollen die nationalen Regierung möglichst nicht als Konterpart haben. Knirscht es bei einem Gesetzgebungsverfahren, wird der Trialog als Vermittlungsinstanz eingeschaltet. Dort ringen Vertreter von Rat, Kommission und Parlament dann in Marathonsitzungen miteinander, bis es einen „Kompromiss“ genannten Interessenausgleich zwischen den Nationalstaaten gibt. Den Ton geben – völlig undemokratisch – natürlich die Schwergewichte der EU an; zu nennen sind vor allem Deutschland und Frankreich.

Unverbindlich

Ein Haushaltsrecht, das in bürgerlichen Demokratien als Königsrecht des Parlaments schlechthin gilt, hat das EU-Parlament ebenfalls nicht. Auch hier ist Abstimmung mit der Kommission gefragt. Zwar hat das Parlament (theoretisch) das letzte Wort, es zieht gegenüber den Mitgliedsstaaten aber in der Regel den Kürzeren. Und selbst in seiner Paradedisziplin, die übrige Welt mit hehren Resolutionen zu „beschenken“, ist das EU-Parlament ein zahnloser Tiger. Denn das, was da meist moral- und meinungsstark formuliert wird, ist für niemanden – nichtmal für die EU selbst – bindend.

Bernhard Krebs

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