Ausgerechnet zur diesjährigen Oscar-Verleihung schluckte der Finanzinvestor KKR erst die Tele München Gruppe, dann die RTL-Tochter Universum Film. Zu Tele München gehört auch der Concorde-Filmverleih, den der promovierte Jurist Herbert G. Kloiber ab 1980 zusammen mit Fritz Buttenstedt und Francois Duplat aufbaute. Als Gentleman und Kunst(er)kenner unter den Verleihern holte der 1947 geborene Wiener die großen französischen Autorenfilme in die hiesigen Kinos.
Kloibers Concorde ist es maßgeblich zu verdanken, dass eine Filmkunstszene in Deutschland überhaupt erst entstehen und sich etablieren konnte. Mit Filmen von Louis Malle, Francois Truffaut und Claude Chabrol pumpte die Concorde frisches Blut in die Programmkinos – und die Liste der Filme lässt einen umgehend ins Schwärmen geraten. Sie reicht von „Fellinis Stadt der Frauen“ (1979) über Louis Malles „Auf Wiedersehen, Kinder“ (1987), Claude Zidis „Bestechlichen“-Filme (1985, 1990), Chabrols zwei „Lavardin“-Krimis (1985, 1986), David Lynchs bahnbrechenden „Blue Velvet“ (1987), Steven Soderberghs „Sex, Lügen und Video“ (1989) bis zu Krzyzstof Kieslowskis humanistischer „Drei Farben“-Trilogie (1993, 1994). Ganz groß brachte Kloiber auch Coline Serreaus „Drei Männer und ein Baby“ (1986), Margarethe von Trottas „Rosa Luxemburg“ (1986) und Kathryn Bigelows „Blue Steel“ (1990) heraus. Immer wieder setzte der leidenschaftliche Opernfan, der seine Karriere 1970 bei Leo Kirch begann, auf neue Namen, die das Kino frech gegen den Strich bürsteten, darunter James Ivorys höchst vitaler „Zimmer mit Aussicht“ (1986) und Cyril Collards kompromisslose „Wilde Nächte“ (1993).
Was dem deutschen Kino mit Kloibers Verkauf verlorengeht, lässt sich vielleicht am ehesten mit einem Blick auf einen sogenannten kleinen Film wie Eric Rohmers „Das grüne Leuchten“ (1987) erahnen. Darin reist eine Pariser Sekretärin mutterseelenallein durch ein paar Ferienorte, bevor sie, im allerletzten Moment ihrer Verzweiflung, doch noch jemanden kennenlernt und am Himmel von Biarritz das besagte grüne Leuchten sieht. Ein tröstliches Leuchten, das besonders denen erscheint, die an den richtigen Zeitpunkt und das Warten als Lebensprinzip glauben. Eine stille Tragikomödie, die für ihren dokumentarischen Stil mitunter belächelt wurde, aber dem „Vandalenkino“, wie Rohmer die lauten, unechten Spektakel nannte, haushoch überlegen war.
Auch wenn Kloibers Verleih ausgerechnet mit Kevin Costners „Robin Hood – König der Diebe“ (1991) seinen größten kommerziellen Erfolg feierte, als Teil eines Deals mit Ted Turners amerikanischer Castle Rock, die sich ein paar Jahre in den Münchner Filmverleih eingekauft hatte, sind es doch Werke wie „Cinema Paradiso“ (1989), „Raus aus Amal“ (1999) und „Mulholland Drive“ (2002), die die Jahre überdauern werden. Und von denen die Filmkunstkinos noch immer zehren, um die eigene Geschichte und Relevanz zu spiegeln.
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