Eine Amerikanerin in Paris – fast. Als Ella mit ihrer Familie in das nördlich der französischen Hauptstadt gelegene Dorf Giverny zieht, lernt sie den dort lebenden Künstler Monet kennen. In bildreichen Erzählsequenzen gibt er ihr Einblicke in sein Schaffen. Mit „Ella im Garten von Giverny – Ein Bilderbuch über Claude Monet“ (Penguin Random House) stellen Autor Daniel Fehr und Illustratorin Monika Vaicenavičienė auf knapp 50 Seiten das Leben des weltberühmten Impressionisten dar. Durch die Perspektive des jungen Mädchens nimmt das Buch seine Leser an die Hand und führt sie auf narrative Weise durch die verschiedenen Lebensabschnitte des Malers.
Raus aus den Ateliers der Kunstschulen und hin zur Arbeit unter freiem Himmel. Monet erzählt Ella vom Malprozess, von seiner Verbindung zur Natur und von der Schwierigkeit, den bewegten Augenblick in einem Bild einzufangen. Dass ihm die Natur als Quelle der Inspiration galt, ist bekannt, aber was passiert, wenn die Lichtverhältnisse die Farben ändern, und worum geht es beim Impressionismus? Fehrs Erzählung führt das junge Publikum in die Welt der Kunst ein. Mit einer wunderbaren Leichtigkeit beschreibt der Autor Monets Werdegang, von den holprigen Anfängen als kritisierter Künstler, dessen Bilder sich nicht verkauften, bis hin zum Erfolg in den USA. Stilistisch trifft Fehr es mit seinen Sätzen auf den Punkt. In einfacher Sprache vermittelt er die wichtigsten Grundgedanken Monets und fängt seine Person dadurch sehr gut auf. So können Leser ab fünf Jahren der Erzählung folgen, für ältere Kinder hält der Anhang des Buches vertiefende Informationen bereit.
Auf bildnerischer Ebene ergänzt die litauische Illustratorin Monika Vaicenavičienė das Erzählte durch eine abwechslungsreiche Seitengestaltung. Zwischen den herrlichen Landschaftsmalereien Monets und Sonnenuntergängen, die ihr apricotfarbenes Licht auf die von Seerosen bedeckte Wasserlandschaft fallen lassen, finden sich Schraffierungen, Bleistiftvorzeichnungen und feine Details. Die ungewöhnliche Mischtechnik aus gezeichneten und gemalten Bildelementen – mal vollständig farbig ausgefüllt, mal nur skizziert oder mit Farbtupfern versehen – transportiert die verspielte Leichtigkeit des Buches und spiegelt auch die Botschaft Monets wider: bloß nicht aufhören mit dem Malen, ganz egal, wie das Ergebnis aussehen mag. Das Einhalten von Perspektive und der Naturalismus werden über Bord geworfen, stattdessen gilt: her mit der intuitiven Kunst, dem Erleben des Moments, dem Festhalten des Augenblicks. Das Bilderbuch zeigt jungen Menschen auf feinfühlige Weise, dass es im kreativen Schaffensprozess kein Richtig oder Falsch gibt.
Die letzten fünf Seiten des Buches erklären die Hintergründe und Geschichte der Impressionisten, beleuchten Monets Biografie, zeigen eine Auswahl seiner bekanntesten Bilder und listen die Orte auf, an denen man die Werke des Künstlers auch heute noch bestaunen kann. Ein informatives Buch, das sich angenehm liest, eine starke Erzähl- sowie Bildebene hat und jede Altersgruppe bedient.
Daniel Fehr: Ella im Garten von Giverny | Prestel, Penguin Random House | ab 5 Jahren | 48 S. | 16 €
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