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Mag revolutionäres Kino: Maxi Braun

Auf die Barrikaden!

23. Februar 2017

Film und Revolution gehören zusammen – Vorspann 03/17

Vor 100 Jahren wurde in der Februarrevolution die russische Zarendynastie gestürzt. Die danach aufblühende Demokratie wurde im Oktober desselben Jahres mit der Wurzel ausgerissen. Dass der Putsch der Bolschewiki heute Oktoberrevolution genannt wird, ist nicht zuletzt Sergej Eisenstein geschuldet. Mit „Oktober“, einer Auftragsarbeit der KPdSU zum zehnten Jahrestag, erschuf er 1927 die Bilder einer Revolution, die so nie stattgefunden hatte. Eisenstein montierte die Stürmung des Winterpalais als heroische Tat viel beeindruckender als die realen Ereignisse, von denen überhaupt kein Bildmaterial existiert. Der Mythos der Revolution hat sich so über das kollektive Bildergedächtnis in die geschichtliche Erinnerungskultur eingebrannt.

„The revolution will not be televised“, aber sie findet auch im Kino statt. Ob in Elia Kazans „Viva Zapata!“ (1952) mit Marlon Brando als mexikanischem Freiheitskämpfer, in Gillo Pontecorvos „Schlacht um Algier“ (1966), der den algerischen Unabhängigkeitskrieg thematisiert, oder in Chris Markers dokumentarischem Epos „Rot ist die blaue Luft“ (1977) zu linken Bewegungen der 1960er und 70er Jahre. Zusätzlich erfreuen sich Biopics berühmter Revolutionäre des 20. Jahrhunderts wie Che Guevara, Malcom X oder Nelson Mandela in den letzten Jahren großer Beliebtheit. Hinzu kommen fiktive Systemumbrüche wie die Rebellion der Jedi als Ausgangspunkt der „Star Wars“-Saga oder die Reihe „Die Tribute von Panem“.

Aktuell beschäftigt sich das deutsche Kino in „Der junge Karl Marx“ mit dem revolutionären Denker, ziemlich genau 150 Jahre nachdem „Das Kapital“ erschienen ist. Zwei Dokumentationen nähern sich außerdem modernen Rebellen an. Die Schweizer Doku „Jean Ziegler – Der Optimismus des Willens“ begleitet den gleichnamigen Globalisierungsgegner nach Kuba, „Pawlenski – Der Mensch und die Macht“ geht dem Aktivisten und Konzeptkünstler auf den Grund, der sich zum Protest gegen die russische Autokratie seine Hoden auf dem Roten Platz festnagelte. Außerhalb Deutschlands sind „A United Kingdom“, „Fences“ oder „Moonlight“ (Oscar-Gewinner in der Kategorie Bester Film)  Beispiele eines selbstbewusster werdenden Black Cinema, das auch im Mainstream ankommt und von der Wirkung der Black Lives Matter-Proteste beeinflusst ist.

Auch außerhalb der Diegese gärt eine Revolte. Auf der diesjährigen Berlinale fand zum fünften Mal die Gesprächsrunde des Internationalen Frauenfilmfestivals Dortmund | Köln unter dem Motto „I cannot believe we are still protesting!“ zum Status der Frauen im Film-Business statt. Dort konstatierte Petra Müller, Geschäftsführerin der Film- und Medienstiftung NRW, immerhin einen deutlich gestiegenen Frauenanteil bei beantragten und geförderten Projekten. In der hiesigen Filmbranche kann 2016 gar als Jahr der Regisseurinnen gelten.

Die nächste Revolution auf der anderen Seite des Atlantiks könnte ebenfalls bevor stehen. In den USA formierte sich nicht nur beim „Women's March“, sondern auch in Hollywood Protest gegen die politischen Eskapaden von Präsident Trump, zum Ausdruck gebracht unter anderem von Meryl Streep, Robert De Niro oder Susan Sarandon. Falls es zu einem Exodus von Kreativen wie in den 1930er Jahren kommen sollte, sind filmschaffende Exilanten bei uns herzlich willkommen.

Maxi Braun

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