Ja, wir haben es mittlerweile oft genug gehört: Wir sind politikverdrossen. Insbesondere der Generation, die nach 1980 geboren ist, fehlt es an politischem Engagement. Die tatsächliche Auseinandersetzung mit (gesellschafts-)politischen Themen straft diese Behauptungen jedoch Lügen. Hauptsächlich verlagert in das weltweite Netz, mit Hashtags geschmückt und in Memes verpackt treibt diese Auseinandersetzung krude, erschreckende, stumpfe und aufrührerische Blüten. Besonders zu den aktuellen heißen Eisen. Zur Griechenlandkrise werden Tausende von Facebooknutzern zu Wirtschaftsexperten mit Hang zu Stammtischparolen. Übertrumpft nur noch Vollidioten, die Flüchtlinge gerne wieder ins Meer treiben möchten, bis Herr Schweiger, ja tatsächlich der Typ mit den Hasen und Küken, auf den virtuellen Tisch hauen muss. Einige Meinungen manifestieren sich auch in der „realen“ Welt. Glücklicherweise gibt es mehr als die hässlichen Fratzen in Freital. Glücklicherweise gibt es auch diejenigen, die es nicht nur bei einem „Refugees welcome“-Profilbild belassen. Glücklicherweise gibt es auch diejenigen, denen abgedroschene Parolen wie „Hoch die internationale Solidarität“ skandieren zu stumpf und inhaltsleer ist und die stattdessen auf kreative Weise harte Gesellschaftskritik vorbringen. Nein, wir sind nicht politikverdrossen. Nein, wir sind einfach anders politisch als Merkel, Gabriel & Co sich das vorstellen. Schon der alte Aristoteles bezeichnete den Menschen schließlich als politisches Wesen.
Aber an was denken wir, wenn es um den politischen Film geht? Muss auf der Verpackung direkt Polit-Thriller oder -Drama stehen? „Die Unbestechlichen“ mit Dustin Hoffman und Robert Redford ist ein Klassiker der Filmgeschichte und prägte das Politikverständnis einer ganzen Zeit. „Dr. Seltsam“, „WarGames“ und „Jagd auf Roter Oktober“ sind Kinder des Kalten Krieges, ob satirisch, kritisch oder schwarz-weiß. Aktuell arbeiten Hollywood-Produktionen den Irakkrieg auf und dabei reihen sich „The Messenger“, „Tödliches Kommando“ und „Green Zone“ in die Riege der klassischen Antikriegsfilme ein. „Die drei Tage des Condor“, die Bourne-Filme oder „Der gute Hirte“ gehen gegen die CIA oder sonstige „da oben“ an. Und neben den unzähligen, vor Stars and Stripes nur so strotzenden Patriotenfilmen finden sich gesellschaftspolitische Akzente wie „Philadelphia“, „Milk“ und „Selma“. Mit dem nun startenden „Die Yes Men – Jetzt wird’s persönlich“ kommen die politischen Aktivisten zum Zuge. Genauer gesagt, zwei kreative und humorvolle Guerilla-Aktivisten, die seit zwei Jahrzehnten Korruption in Politik und Wirtschaft in die Öffentlichkeit zwingen und zwar provokant jenseits der etablierten Strukturen. Inspiration sind sie übrigens für die ach so Politikverdrossenen.
Doch nicht immer ist nur das drin, was auf der Verpackung steht. Interessant sind auch Filme, die aufgrund ihrer Genrezugehörigkeit nicht per se politisch sind. Auch sie sind aber Kinder des Zeitgeistes und arbeiten womöglich offen oder subtil mit politischen Andeutungen. So lassen sich „Jurassic World“ und „Pixels“ politisch lesen. Sind vielleicht sogar im neuen „Barbie“-Film gesellschaftspolitisch relevante Glitzer-Sprenkler versteckt? Die zu finden, dürfte vermutlich gar nicht mal so schwer sein. Letztendlich ist alles politisch.
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