Antonio Altarriba und Keko entfalten mit „Ich, der Mörder“ ein bitterböses Szenario um einen Kunsthistoriker, der sich den Themen Schmerz und Grausamkeit widmet. Der Universitätsprofessor untersucht aber nicht nur die Kunsthistorie, sondern erforscht die Themen privat auch als Mörder. Er kennt weder seine Opfer sonderlich gut, noch handelt er aus klassischen Motiven. Der Ästhetik des Mordes gilt sein Interesse. Die düstere Schwarzweiß-Erzählung setzt nur mit wenigen, gezielten Rottönen farbliche Marken, weiß mit philosophischen Ausschweifungen und erzählerischer Spannung aber ganz ungewöhnliche Akzente zu setzen (Avant Verlag). Formell mehr Kurzgeschichte als grafischer Roman im wörtlichen Sinn ist „Roses Lächeln“ von Sacha Goerg. Desmond hat Ärger mit seiner Ex-Frau und streitet sich um den gemeinsamen Sohn Theo. Als er die geheimnisvolle Rose kennenlernt, ist er unvermittelt in Gefahr, und nicht nur er! Goergs kurze Geschichte ist mit leichter Hand erzählt: Die Aquarellzeichnungen kommen ohne Panelrahmen aus, in Gesprächen sind die Protagonisten oft vor weißem Hintergrund freigestellt. Die zeichnerische Leichtigkeit und auch die Figurenzeichnung steht im Kontrast zu deren Problemen. Das passt nicht richtig zusammen, liest sich aber dennoch gut, und die Geschichte hat Herz (Reprodukt).
Isabel Kreitz hat sich unter anderem einen Namen mit Romanadaptionen gemacht und intensiv mit der deutschen Geschichte beschäftigt. Mit ihrer Adaption von Konrad Lorenz‘ „Rohrkrepierer“ widmet sie sich wieder dem kleinbürgerlichen Milieu, dieses Mal im St. Pauli der Nachkriegszeit: Die Milieuschilderung ist Kreitz‘ Qualität. Womit ihr neues Werk aber Schwierigkeiten bereitet: Die Emotionen der Figuren sind häufig über die Gesichtszüge oder die Haltung kaum zu erahnen. Auf der zeichnerischen Ebene wirkt „Rohrkrepierer“ oft holzschnitzartig, und auch die Details, räumliche Zusammenhänge und zeitlicher Ablauf lassen den Lesefluss mitunter stocken (Carlsen). Jakob Hinrichs kombiniert mit „Hans Fallada – Der Trinker“ eine biografische Rahmenhandlung über den bekannten Schriftsteller („Kleiner Mann – was nun?“) und eine Adaption von dessen letztem Werk „Der Trinker“. In surrealen und sehr farbigen Zeichnungen, die gleichermaßen Expressionismus, Kubismus und noch so einige andere Assoziationen zur Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts abrufen, verdichtet er das Erlebte und das Erfundene im Kopf des Autors. Damit verbindet Hinrichs die aktuellen Wellen von Biografien als auch Literaturadaptionen in der Comicszene und verleiht diesen Tendenzen eine spannende Note (Metrolit).
Philippe Druillet war einer der Protagonisten, die Anfang der 70er Jahre die Comicszene in Frankreich mit ausufernder Science Fiction revolutionierten. 1974 gründete Druillet zusammen mit Moebius u.a. das Magazin „Metal Hurlant“, zuvor erschienen seine Geschichten um den Raumfahrer Lone Sloane in dem Magazin „Pilote“. Anders als Moebius‘ eher flächige und humorvolle Psychedelik, wirft Druillet den Leser in ein wirres Szenario, das barocke Opulenz mit düsterer Post-Apokalypse verbindet. Die Auflösung der Panelordnung und die kleinteiligen, aber sehr farbigen Zeichnungen überwältigen den Leser regelrecht. Mit „Die sechs Reisen des Lone Sloane“ erscheinen die wahnwitzigen Geschichten erstmals auf Deutsch in einem schönen, großformatigen Album (Avant Verlag).
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