Die Ruhrfestspiele Recklinghausen fahren jährlich ein hochkarätiges Literaturprogramm auf – wobei sich die Macher nicht auf die Qualität der Literatur allein verlassen, sondern große Namen von Bühne und Film auf die Plakate drucken. In diesem Jahr ist das im Hauptprogramm nicht viel anders, aber es gibt eine Nische, in der sich plötzlich ein Festival im Festival auftut, das selbst die Namen der Auftretenden noch geheim hält: Unter dem Titel „Resonanzen – Schwarzes Literaturfestival“ sollen „schwarze Ästhetiken in der deutschsprachigen Literatur ins Zentrum“ gerückt werden.
Sharon Dodua Otoo, Bachmann-Preisträgerin mit ghanaischen Wurzeln und Beispiel dafür, dass der Weg in die Feuilletons auch Stimmen der afrikanischen Diaspora freisteht, hat dieses Festival konzipiert. An drei Tagen werden sich sechs Nachwuchs-Schriftsteller mit unveröffentlichten Texten einer Jury stellen. Selbst die vierköpfige Jury wird die Namen der Lesenden erst am Eröffnungsabend erfahren. Auf jede Lesung folgt im Anschluss eine öffentliche Jurydiskussion. Texte „präsentieren, analysieren, würdigen und feiern“ ist das Bestreben der Organisatoren und man will Begegnungen und Vernetzung anstoßen. Dabei bleibt es nicht beim literarischen Nachwuchs: Die Eröffnungsrede hält Tsisi Dangerembga, Friedenspreisträgerin des Deutschen Buchhandels. Der Spoken Word-Künstler Philipp Khabo Koepsell beleuchtet in einem Vortrag die afrodeutsche Literaturgeschichte. Musikalische Glanzlichter werden gesetzt von „Elektrik Diva MALONDA“, die sich zwischen Grace Jones und Hildegard Knef verortet und mit elektronischen Beats spielt sowie „The String Archestra“, einem Streicherensemble, das sich den Werken von BIPoC-Komponisten widmet. Die Jury ist mit Aminata Cissé Schleicher, Dr. Dominique Haensell, Dr. Elisa Diallo und Dr. Ibou Coulibaly Diop nicht nur schwarz, sondern auch auffallend weiblich besetzt.
Bleibt bei allem Engagement zu hoffen, dass dieses Festival innerhalb der Ruhrfestspiele genügend Aufmerksamkeit erfährt und die „Schwarze Literatur“ sich mit diesem Konzept nicht in eine selbstgeschaffene Nische zurückzieht. Es wäre schade, wenn Autorinnen wie Otoo oder Dangerembga erst im Hauptprogramm einen Platz bekommen, wenn fernsehbekannte schwarze Schauspielerinnen die Lesung bestreiten.
Resonanzen – Schwarzes Literaturfestival | 19.-21.5 | Festspielzelt Recklinghausen | 02361 921 80
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen?
Als unabhängiges und kostenloses Medium ohne paywall brauchen wir die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser. Wenn Sie unseren verantwortlichen Journalismus finanziell (einmalig oder monatlich) unterstützen möchten, klicken Sie bitte hier.
Keine Angst vor Gewittern
„Donnerfee und Blitzfee“ von Han Kang – Vorlesung 09/25
Roman eines Nachgeborenen
„Buch der Gesichter“ von Marko Dinić – Literatur 09/25
Süß und bitter ist das Erwachsenwerden
„Fliegender Wechsel“ von Barbara Trapido – Textwelten 09/25
Geteilte Sorgen
„Lupo, was bedrückt dich?“ von Catherine Rayner – Vorlesung 08/25
Augen auf Entdeckungsreise
„Jetzt geht’s los!“ von Philip Waechter – Vorlesung 08/25
Düster und sinnlich
„Das hier ist nicht Miami“ von Fernanda Melchor – Textwelten 08/25
Erste Male zwischen den Welten
„Amphibium“ von Tyler Wetherall – Literatur 08/25
Eine wahre Fluchtgeschichte
„Wie ein Foto unser Leben rettete“ von Maya C. Klinger & Isabel Kreitz – Vorlesung 07/25
Die Kraft der Erinnerung
„Das Geschenk des Elefanten“ von Tanja Wenz – Vorlesung 07/25
Alternative Realität in Tokyo
„Tokyo Sympathy Tower“ von Rie Qudan – Literatur 07/25
Zart und kraftvoll zugleich
„Perlen“ von Siân Hughes – Textwelten 07/25
Flucht ins Metaverse
„Glühfarbe“ von Thea Mantwill – Literatur 06/25
Magischer Realismus
Charlotte Brandi liest in Dortmund aus ihrem Debütroman „Fischtage“ – Lesung 08/25
Bis zur Neige
„Der Durst“ von Thomas Dahl – Literatur 06/25