Movements and Moments ist eine beeindruckende Zusammenschau. „Indigene Feminismen“ lautet der Untertitel des über 300 Seiten umfassenden Bandes, der mit den zehn abgedruckten Geschichten nicht mal das ganze Projekt umfasst – weitere sechs Geschichten findet man auf der Webseite des Goethe Instituts, das auch Initiator des Projektes war, als es einen Aufruf zum Thema „Feminismus und Populärkultur“ startete und der nach einigen Austausch-Projekten zwischen Berlin und Jakarta in der Idee mündete, feministische „Herstoies“ auch jenseits des südostasiatischen Raums zu dokumentieren. Und so sind Comics aus Asien, aber auch aus Lateinamerika entstanden, die über Befreiungs- und Emanzipationskämpfe berichten, von Diskriminierung als Indigene oder Frauen oder beide, von Kämpfen für die Umwelt und gegen Gewalt. Erzählerisch, ästhetisch und technisch sind die Kurzgeschichten so unterschiedlich und vielseitig wie die Schicksale derjenigen Frauen, von denen die Künstler:innen erzählen. Die Umsetzung dieser dokumentarischen Comics, die von dem Team rund um Sonja Eismann (Missy Magazine), Ingo Schöningh (Goethe Institut) und Maya hier versammelt wurden, zeigt einmal mehr, wie groß nicht nur das inhaltliche, sondern auch das formale Spektrum von Comics sein kann (Jaja Verlag).
Vor dreißig Jahre hat sich Stéphane Heuet Großes vorgenommen: Eine Comic-Adaption von Marcel Prousts Werk „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ wollte der Zeichner umsetzen. Damals war er 35 Jahre alt und war schon sieben Jahre als Matrose zur See gefahren, bevor er anfing, als Grafiker zu arbeiten. Jetzt erscheint der achte Band „Im Schatten junger Mädchenblüte – Im Umkreis von Madame Swann“ auch auf Deutsch: Abermals lässt Heuet die Gedanken- und Gefühlswelt des jungen Protagonisten in langen Textkästen und Sprechblasen und in der feinen Ligne Claire eines Hergé nahestehenden Zeichnungen auferstehen. Aber vor allem die Erinnerungen des Protagonisten, die mal gezielt, mal unwillkürlich in ihm aufsteigen (die berühmte Madeleine ist das Paradebeispiel für diese fast reflexhaft aufsteigenden Erinnerungsstürme) und eine vergangene Welt auferstehen lassen. Man munkelt, dies sei der letzte Band in der Reihe. Allerdings lässt sich das anhand der Vorlage kaum rekonstruieren, da die Kapitel und auch die Chronologie der Veröffentlichung absolut nicht deckungsgleich mit der Vorlage von Proust sind. Nichtsdestotrotz ein beeindruckendes Opus Magnum (Knesebeck).
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